Henning Ahrens – Mitgift
Henning Ahrens – Mitgift

Henning Ahrens – Mitgift

Über Landleben und Verantwortung

August 1962 in einem kleinen Bauerndorf bei Hannover: Gerda Derking, die „Totenfrau“, die sich jahrelang um das Herrichten verstorbener Menschen gekümmert hat und sich eigentlich im selbst auferlegten Ruhestand befindet, wird ein letztes Mal gerufen, um ihrer Arbeit nachzugehen. Der Verstorbene ist ihr Nachbar Wilhelm Leeb Junior, der sich im Alter von 30 Jahren mit der alten Pistole seines Vaters das Leben genommen hat.

Henning Ahrens erzählt in seinem Roman Mitgift von der Vergangenheit seiner eigenen Familie. Er beschreibt das beschwerliche Leben auf einem Großbauernhof in der niedersächsischen Provinz um Peine während der Nachkriegszeit, das  jede Menge Arbeit und Schwierigkeiten mit sich bringt: Wilhelm Leeb Senior, zu Kriegszeiten glühender Nazi, gerät in polnische Gefangenschaft und muss dort fünf lange Jahre verharren. Er überlässt gezwungenermaßen die Geschicke seines Hofes seiner Frau und dem ältesten Sohn Wilhelm, die ihn mit all ihren begrenzten Möglichkeiten und unter Einsatz der gesamten Familie weiterführen. Nach der Rückkehr übernimmt der Senior wieder das Steuer und wird gegen Frau und Kinder hart und ausfällig, obwohl diese jahrelang geschuftet haben, um den Betrieb am Laufen zu halten. Wilhelm Leeb Junior leidet sehr unter seinem Vater, der ihn wie ein General kommandiert und in keiner Weise Anerkennung für die harte Arbeit seines ältesten Sohnes zeigt.

Nicht nur für Landpomeranzen

Eingebettet in Anekdoten von Vorfahren aus vorangegangenen Generationen, beleuchtet Ahrens die Entwicklung des Leeb’schen Hofes im Laufe der Zeit. Eine große Rolle dabei spielen neben den geschichtlichen Hintergründen auch die Frauen, die bei ihrer Einheirat in die Familie Leeb eine standesgemäße Mitgift einbringen und so die Ländereien stetig weiterwachsen lassen.

Mitgift liefert eine Familiengeschichte mit heikler Vater-Sohn-Beziehung in einer schwierigen Zeit, die von der in den 1960er Jahren sehr von körperlicher Arbeit geprägten Landwirtschaft und dem Leben mit der Verantwortung für einem großen Bauernhof umrahmt wird. Nicht nur für Landpomeranzen, wie mich, eine interessante Leseerfahrung, bei der sich einige Passagen mit den Erzählungen der Großeltern decken, sondern eine sehr gute Beschreibung eines über Generationen hinweg bewirtschafteten agrikulturellen Betriebs mit all den Erwartungen, die an die kommende Generation gestellt werden.

von Julian Rapp

Henning Ahrens
Mitgift
Klett-Cotta 2021
345 Seiten
22 Euro

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