Millenial vs. Boomer – Ein Streitgespräch
Passend zur Klimawahl 2021 und dem Ende der Merkel- Ära bekommen wir Noch haben wir die Wahl zu lesen – ein Buch, das auch nach wie vor absolut lesenswert ist. Hierin verschriftlichen Klimaaktivistin und Geographiestudentin Luisa Neubauer sowie Bernd Ulrich, stellvertretender Chefredakteur der ZEIT und „Boomer as it gets“ ihren Dialog. Neben dicht gepackten Informationen zur Klimakrise, politischen Bewegungen und politischem Versagen erfährt man auch viel über die beiden Menschen, die sich hier austauschen. Luisa Neubauer ist vor allem durch die Fridays for Future-Bewegung und die Medien bekannt geworden. Sie gibt der jungen Generation eine Stimme – in diesem Buch erzählt sie, was sie zu Deutschlands bekanntester Klimaaktivistin machte. Bernd Ulrich berichtet aus seiner Jugend, als es den Klimaschutz so, wie er heute ist, noch nicht gab, und welche Themen ihn damals politisiert und seinen heutigen Klimaaktivismus begründet haben. In der Diskussion trifft also viel Lebenserfahrung auf junge Entschlossenheit. Was die beiden eint, ist ihre Überzeugung, dass Veränderung sowohl dringend nötig als auch machbar ist. Gänzlich unaufgeregt, sachlich, und doch nahegehend handeln die beiden in ihren Gesprächen Themen wie den Generationenkonflikt, Fridays for Future, die Rolle von Politik, Medien wie Industrie und jedem Einzelnen von uns im Hinblick auf die Klimakrise ab. Der Grundton beider ist dabei reflektiert und kritisch, bleibt aber stets respektvoll und konstruktiv.
Und nun?
Dieses Buch bietet eine gut verständliche Zusammenfassung der größten klimabezogenen Probleme und Herausforderungen, gewürzt mit den persönlichen Sichtweisen und Ideen der beiden Gesprächspartner:innen. Daneben werden politische Vorschläge und bisherige Maßnahmen kritisch geprüft – und an vielen Stellen als unzureichend bewertet. Sowohl aktuelle Politiker:innen wie Kanzler Scholz aber auch die Klimapolitik unter Merkel oder die Grünen im Allgemeinen werden umfassend besprochen. Trotz kritischer Sichtweisen bleibt die Diskussion sachlich und stets logisch nachvollziehbar. Da die beiden tief in der Thematik stecken, ist es zum Verständnis der verwendeten Fachsprache von Vorteil, sich bereits zuvor mit der Thematik Klimawandel auseinandergesetzt zu haben. Besonders hervorzuheben ist der Fokus auf die Gesamtgesellschaft und weniger auf die Einzelperson. So wird besprochen, warum die Klimakrise basierend auf Klimaungerechtigkeit auch immer Rassismus und Unterdrückung einschließt und warum der Freiheitsbegriff umgedacht werden muss. Ein gutes Gefühl hinterlässt das Buch, weil es nicht nur mit erhobenem Zeigefinger auf Missstände hinweist und die Boomergeneration als Ganze schuldig spricht, sondern eben auch viele durchsetzbare Lösungsvorschläge beschreibt. Nach der Lektüre möchte man nicht den Kopf in den Sand stecken, sondern sofort mit anpacken. Das macht die Lektüre trotz des komplizierten und teils überfordernden Themas sehr versöhnend.
Am liebsten möchte ich jeder:m dieses Buch (natürlich gedruckt auf Recyclingpapier) in die Hand drücken und sagen: bitte lies es! Denn noch haben wir die Wahl. Wie auch im Gespräch der beiden deutlich wird: nur ein Wissen über die Konsequenzen des eigenen und gesamtgesellschaftlichen Handelns kann das nötige Umdenken anstoßen. Ich hoffe sehr, dass wir in 30 Jahren nicht zurückblicken und sagen müssen: Wir haben immer wieder davon gelesen aber es einfach nicht geglaubt.
von Hannah Deininger
—
Luisa Neubauer & Bernd Ulrich
Noch haben wir die Wahl – Ein Gespräch über Freiheit, Ökologie und den Konflikt der Generationen
Tropen Verlag 2021
237 Seiten
18 Euro