Wenn schon Händel, dann in Bamberg
—
Am 29.September 2022 prämierte Georg Friedrich Händels Oper „Alessandro“ auf der Bühne des ETA Hoffmann Theaters in der A-Besetzung – eine humorvolle und moderne Interpretation der barocken Oper von Sibylle Broll-Pape. Besonders ist hier der junge Cast an Sänger*innen und Musiker*innen der Jungen Deutschen Philharmonie (musikalische Leitung Gottfried von der Goltz), die in Bamberg ihr Können unter Beweis gestellt haben.
In „Alessandro“ geht es um niemand anderen als Alexander den Großen (gesungen von der Mezzosopranistin Lara Morger, A-Besetzung), der hier jedoch weniger als Feldherr dargestellt wird, sondern als Ergebener zweier Frauen, zwischen denen er sich nicht entscheiden kann. Sie sind die wahren Heldinnen dieses Stückes und stechen in ihren bunten, dekonstruierten Barock-Kleidern auch auf der Bühne hervor. Lisaura und Rossane sind Königstöchter und befinden sich in Alessandros Gefangenschaft, er scheint sich seiner physischen Macht über sie jedoch nicht bewusst zu sein, sondern beklagt sich stattdessen ironischerweise über die Grausamkeit, mit der sie seine Avancen (teilweise) zurückweisen. Die beiden Sopranistinnen der A-Besetzung Lada Shornik (Lisaura) und Lara Rieken (Rossane) glänzen in ihren Rollen und harmonieren wunderschön in ihrem gemeinsamen Duett. Dadurch, dass Händels Komposition zumeist aus Arien und Rezitativen für jeweils eine Rolle besteht, wird sozusagen ein Scheinwerfer auf die Sänger*innen geworfen, die alle außerordentlich toll gesungen haben und vom Publikum mit begeisterten Applaus belohnt wurden.
Auch wenn es zu großen Teilen um die Liebe geht – oder wie der Sprecher Daniel Seniuk in einer seiner unterhaltsamen Kommentare beschreibt: eine starke Form des Stockholm-Syndroms – dürfen Intrigen auch nicht fehlen: Alessandros Offiziere Clito (Friedemann Gottschlich) und Leonato (Ju-Hyeok Lee) leiten einen zugegebenermaßen kurzen Aufstand gegen den Eroberer, ergeben sich jedoch kampflos. Letztendlich gibt es aber ein Happy End: Alessandro vergibt den Verrätern, entscheidet sich für Rossane und verspricht Lisaura seinem Offizier Tassile. Die beiden Frauen scheinen in dem Schicksal, das ihnen zugeteilt wurde, glücklich zu sein und feiern dies auf der Bamberger Bühne mit einer gemeinsamen Arie aller Sänger*innen und Herzchen-Ballons.
Händels Komposition und der eher kleinen Besetzung, die Barockopern eigen ist, geschuldet, kann Alessandros Status als Eroberer und gefürchteter Feldherr musikalisch und bildlich nicht unbedingt überzeugend dargestellt werden. Trotz des offensichtlichen Twists, dass er der Liebe und Unschlüssigkeit den beiden Frauen gegenüber unterlegen ist, bietet die Oper doch kämpferische Momente, die von Alessandro und seinen vier Offizieren nicht ganz ausgefüllt werden können. Der Barockoper gelingt es nicht durch Musik oder Handlung eine Verbindung zu den Charakteren aufzubauen, die dadurch flach wirken und ihre Entscheidungen stellenweise seltsam wirken lassen. Die Bamberger Inszenierung, Sänger*innen und Musiker*innen haben das volle Potential der Oper ausgeschöpft, auch wenn dieses Potential eher gering ausfällt. Auch der Einsatz eines Sprechers, der zwischen den Szenen die Handlung auf lustige und erklärende Weise kommentiert, stellt dabei eine hilfreiche und unterhaltesame Ergänzung dar. Die Inszenierung konnte wiederum durch den spannenden Kontrast zwischen der minimalistischen, modernen anzug-tragenden Seite Alessandros und seiner Offiziere und den ausladenden, bunten barocken Königstöchtern punkten. Der Barock wurde sehr erfolgreich mit Neonfarben, Lichtstäben und Pop-Art vermischt und hat damit visuell sehr überzeugt.
Mein Fazit: Wenn es Händel sein muss, dann in Bamberg!
Weitere Termine: 02.10. / 04.10. / 05.10. / 07.10. / 08.10.
von Kathrin Fiedler