Drangsal – Doch
Drangsal – Doch

Drangsal – Doch

Escape Fantasy

„Noch heute ist einer meiner liebsten Gedanken, dass ich eines Tages aufwache und der einzige Mensch auf der Welt bin. Dann kann ich endlich in Ruhe in all eure Schubladen schauen.“ – Ob Fantasie oder nicht: Wie gerne würden wir es dem Erzähler gleichtun und einmal in fremde Leben eintauchen? Doch bietet dafür zwar weniger eine materielle Schublade, aber gibt trotzdem Einblicke in das Seelenleben Drangsals. 

Der Sänger machte sich bereits im Jahr 2016 mit seinem musikalischen Debüt Harieschaimeinen Namen. 2022 folgte dann das Literarische mit einer Mischung aus Autobiografie, Gedichten und Kurzgeschichten. Dass Musiker:innen das Feld wechseln (man denke nur an Bela B oder Judith Holofernes) kommt mittlerweile oft vor, weswegen ich anfangs etwas skeptisch war. Ich wurde jedoch keinesfalls enttäuscht, im Gegenteil: Die Textsammlung fängt das gleiche Spiel mit der Sprache ein wie auch Drangsals Songtexte. Dabei entstand kein üblicher Roman, sondern Miniaturen, die man mit Bedacht und in einzelnen Sitzungen konsumieren kann – wie die Musikalben eben auch.

Fakt oder Fiktion?

Das Buch preist „Ein literarisches Debüt zwischen Fakt und Fiktion“ an, weswegen man sich nie ganz sicher ist, ob man nun etwas aus Drangsals Leben liest oder nicht. So siedeln manche Geschichten in Herxheim, dem Geburtsort des Autors, an oder das lyrische Ich erhält seinen Namen vom Lieblingsfilm des Vaters: Mad Max. Diese Erinnerungen werden von kurioseren Handlungen und Gedichten unterbrochen, die dann wiederum weniger mit der Realität zutunhaben. Doch gerade die Passagen, die man wohl fast als verschriftlichte Fieberträume bezeichnen kann, machen wirklich Spaß zu lesen.

Einen großen Teil trägt der Schreibstil von Drangsal dazu bei. Jedes Wort wirkt perfekt platziert und man verfällt als Rezipient:in in einen melodischen Leserhythmus (und das nicht nur bei der Lyrik des Buches). Ich würde trotzdem empfehlen, Doch nicht in einem Rutsch zu lesen, da man sonst gedanklich noch bei dem vorherigen Text hängt und sich nicht ganz auf eine neue Handlung einlassen kann. Vielleicht bleibt dann auch etwas die Enttäuschung aus, dass einzelne Kurzgeschichten nicht weitergeführt werden – was ich mir bei manchen durchaus gewünscht habe.

Neben dem ästhetischen Schreibstil fällt vor allem auch das Cover des Debüts auf. Anders als die Plattencover des Sängers ist dieses eher schlicht gehalten: Es zeigt nur einen Hund, dessen Schnauze mit Blumenranken verschlossen ist. Trotzdem bietet es einen gelungenen Kontrast zu den aufgeregten Texten im Buchinneren.

Wer also ästhetische Bücher mit einem etwas anderen Inhalt mag, sollte zu Doch greifen – selbst wenn man mit Drangsals Musik bisher weniger Berührungspunkte hatte. Vielleicht schafft es dann auch ein kleineres literarisches Debüt, der weitaus bekannteren Musik zuvorzukommen.

von Celine Buschbeck

Drangsal (Max Gruber)
Doch 
Claassen 2022 
176 Seiten
20 Euro

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert