Von Friedrich Nietzsche bis Walter Benjamin
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Friedrich Nietzsche und Richard Wagner, Käthe Kollwitz und Gerhart Hauptmann, Franziska zu Reventlow und Thomas Mann, Else Lasker-Schüler und Franz Kafka: Sie sind nur einigeder immer im Doppelpack vorkommenden bedeutenden Persönlichkeiten, denen Peter Neumann in seinem bei Siedler erschienenen Buch Feuerland ein Denkmal setzt. Nach Jena 1800 ist es das zweite erzählende Sachbuch, das der promovierte Philosoph veröffentlicht. Mit dem Ausbruch des Vulkans Krakatau zwischen Sumatra und Java 1883 beginnt er, mit dem Ausbruch der COVID-19-Pandemie in Wuhan 2020 endet er. Zügig durchschreitet er Raum und Zeit und fängt Momentaufnahmen ein…
Diese Momentaufnahmen allerdings sind auch die Schwäche des Buches, zu viele Paare hat sich Neumann für seine 260 Seiten vorgenommen, zu oberflächlich sind die Anekdoten, die er erzählt. 14 Seiten über Nietzsche und Wagner, Lasker-Schüler und Kafka, Wittgenstein und Trakl, 13 Seiten über Dalí und Freud, 12 Seiten über Joyce und Proust. Einmal abgehandelt, kommt er zu seinen Protagonisten nicht mehr zurück. Die kurzen, oft abrupt endenden Kapitel können den Giganten der Geistesgeschichte nicht gerecht werden. Feuerland lässt zudemZitate, etwa aus Tagebüchern oder Briefen, vermissen, die die Charaktere authentischer gemacht hätten. Auch auf ein Literaturverzeichnis wurde gänzlich verzichtet, die Recherche des Philosophen bleibt im Dunkeln.
Eine Reise ins lange Jahrhundert der Utopien?
Abgesehen davon kann man Neumann eine literarische Fähigkeit nicht absprechen. Ähnlich Florian Illies, der mit seinen Jahreschroniken das erzählende Sachbuch geprägt hat, schreibtauch Neumann im Präsens, auch er widmet sich entspannt plaudernd Geistesgrößen, auch er macht Geschichte erfahrbar. Seine Sequenzen allerdings wirken willkürlich und zusammenhangslos. Neumanns Vorhaben: Utopien erzählen. Das zumindest lässt der Untertitel Eine Reise ins lange Jahrhundert der Utopien vermuten. Zu finden ist dieser rote Faden nicht immer.
Eine wissenschaftlichere Herangehensweise und tiefgreifendere Momentaufnahmen, die über schemenhafte Impulse hinausgehen, zumindest aber eine Bibliographie, wären wünschenswert gewesen. Auch eine Einleitung, in der Neumann seinen Utopie-Begriff definiert, hätte geholfen, seine Auswahl an Geschichten und Personenkonstellationen nachzuvollziehen. So bleibt Feuerland trotz spannendem Konzept und lebendiger Schreibe hinter den Erwartungen zurück.
von Luisa Bader
Peter Neumann
Feuerland. Eine Reise ins lange Jahrhundert der Utopien 1883-2020
Siedler Verlag 2022
304 Seiten
24,00 Euro