Eine Beziehung, die zum Scheitern verurteilt ist
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Content Warning/Inhaltswarnung: Alkoholismus, Angst- und Panikstörung, Depressionen, Drogenkonsum, körperliche Gewalt, Sex-Arbeit, Suizid
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Piki ist der Dreh- und Angelpunkt des Lebens unserer namenlosen Erzählerin: In ihr scheint sie die große und ewige Liebe gefunden zu haben. Piki entführt sie in das turbulente Nachtleben, zieht sie in ihren Freundeskreis, stellt sicher, dass genügend Essen für sie im Kühlschrank liegt. Die beiden gehen auch beruflich eine Partnerschaft ein und verkaufen getragene Strumpfhosen und Unterwäsche an willige Käufer. Dieses Glück hält aber nicht lange an. Schnell wird klar, dass Piki unter psychischen Erkrankungen leidet und dadurch wird eine Kluft in der Beziehung geschaffen. Denn es ist nicht Piki, die die Lebensmittel für ihre Freundin besorgt oder die Wäsche des Paares wäscht – es ist Bossa, Pikis Ex-Freundin. So, wie das Leben der Erzählerin Piki umkreist, ist Pikis Alltag von Bossas Diensten abhängig.
„Welche Bedeutung hatte unsere Liebe, wenn es in Pikis und meiner Beziehung doch immer eine dritte Person gab?“
Rückblickend lässt Sofi Oksanen die Protagonistin in Baby Jane auf eher wenigen Seiten diese toxische Beziehungskonstellation erzählen und reflektieren. Dabei springt sie von dem Beginn ihrer Beziehung, zu ihrem kläglichen Ende und ihrem Leben und der Partnerschaft danach. So wird der Zeitraum von 1995 bis 2002 abgedeckt – die Zeit vergeht jedoch wie im Flug. Ich habe den Roman an einem Stück verschlungen, was besonders an dem Sog lag, den Oksanen mit dem psychologischen Zusammenbrechen ihrer Charaktere kreiert. Es ist fesselnd, wie schnell die Gefühle und Ereignisse eskalieren und wie ernüchternd dann das nächste Kapitel, das beispielweise die Beziehung der Erzählerin nach den Geschehnissen porträtiert, wirkt.
Besonders beeindruckend finde ich die emotionale Entwicklung der drei Frauen und wie nach und nach ihre wirklich gemeinen, aber auch verzweifelten Seiten an die Oberfläche gelangen. Getrieben durch die Angst, Piki zu verlieren und ihr nicht helfen zu können, zielt die Erzählerin ihre verletzten Gefühle in Form von Wut auf Bossa: „Ich hasste diese Frau immer mehr und mehr und mehr. Obwohl ich sie kaum je sah und obwohl ich kaum etwas über sie wusste. […] Bossa war geschmacklos, farblos, konturlos und dennoch allgegenwärtig. Wie Sauerstoff. Unbesiegbar. Man konnte sie nicht loswerden.“
Baby Jane zeigt, was passieren kann, wenn Personen mit ihren psychischen Erkrankungen und Leiden allein gelassen werden. Isolation und das Gefühl, nicht verstanden zu werden, ist ein weiteres großes Thema dieses Romans und lässt die Lesenden nach der emotionalen Achterbahn melancholisch zurück. Hatten die Erzählerin, Piki und selbst Bossa je eine Chance auf ein glückliches Leben?
von Kathrin Fiedler
Sofi Oksanen
Baby Jane
Aus dem Finnischen von Angela Plöger
Kiepenheuer & Witsch 2023
224 Seiten
22,00 Euro