Zwischen Dekadenz und Liebe
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100 Jahre nach den Goldenen Zwanzigern lässt das TiG eine der bekanntesten Geschichten dieser berüchtigten Zeit wieder aufleben. Am 17. Juni 2023 feierte „Der große Gatsby“ im Mediengarten der Mediengruppe Oberfranken erfolgreich Premiere.
Nick Carraway: „Man kann die Vergangenheit nicht wiederholen.“
Jay Gatsby: „Die Vergangenheit nicht wiederholen? Aber natürlich kann man das!“
Der sagenumwobene Jay Gatsby möchte genau das: Er versucht, seine Jugendliebe Daisy zurückzugewinnen. Seine ganze Identität fußt auf diesem Gedanken – und auch die anderen Figuren konstruieren sich ihre eigene Realität fernab jeglicher Wirklichkeit. So stürzt sich Daisys Ehemann Tom in eine Affäre, während Daisy Jay wieder näherkommt. Daisys Cousin Nick Carraway, aus dessen Perspektive die Geschehnisse erzählt werden, muss diese verhängnisvollen Entwicklungen mitansehen. Doch auch er lässt sich kurzzeitig in die Welt der Exzesse entführen.
Heidi Lehnert inszeniert die Geschichte des großen Gatsby mit dem Theater im Gärtnerviertel nach Rebekka Kricheldorf neu. Als Spielort dient der Mediengarten der Mediengruppe Oberfranken, ein wintergartenähnlicher Lichthof inmitten des Gebäudekomplexes, der auch einen Blick ins Freie gewährt. Die moderne Inszenierung, die sich nahe an der Buchvorlage von F. Scott Fitzgerald hält, ist mit einem Ensemble von nur vier Personen (Martin Habermeyer, Rebekka Herl, Benjamin Bochmann und Laura Mann) originell umgesetzt. Den Zuschauer*innen fällt es dank des chronologischen und klaren Aufbaus leicht, der Geschichte zu folgen. Die Kunst der Darsteller*innen, die verschiedensten Rollen zu übernehmen, lässt vergessen, dass es sich nur um ein kleines Ensemble handelt, und auch die wenigen Requisiten und das minimalistische Bühnenbild werden gekonnt eingesetzt. Darüber hinaus ermöglicht das einheitlich weiß-gelb-pink gehaltene Farbkonzept der Kostüme und beschriftbaren Tafeln den Fokus auf die Handlung.
Die Goldenen Zwanziger?
Die Geschichte spielt in den Goldenen Zwanzigern – eine Zeit voller Glamour und Partys, aber auch der Anonymität und Armut. Im Mittelpunkt des Stücks stehen Personen, die Reichtum über Liebe stellen. Die Inszenierung trifft die oberflächliche Dekadenz dieser Gesellschaft auf den Punkt.
Das TiG schafft es, den Geist der Geschichte zu erhalten und uns dabei aufzuzeigen, dass durchaus Parallelen zwischen den Zwanzigern dieses und des letzten Jahrhunderts bestehen. Der Mythos des zelebrierten Wohlstands ist auch heute nur für wenige Menschen Realität, deren Reichtum auf der Ausbeutung ärmerer Bevölkerungsgruppen basiert. Heute wie damals breiten sich populistische Bewegungen aus und technische Neuerungen verändern die Welt rasant.
Trotz der ernsthaften Thematik wird das Stück mit einer großen Leichtigkeit gespielt. Die gut gesetzten Anekdoten lockern das Geschehen humorvoll auf. Dezente Musik untermalt die Szenen und die Gesangseinlagen der Schauspieler*innen sind echte Highlights.
„Der große Gatsby“ ist ein sehr unterhaltsames Theaterstück, das durch das großartige Spiel des Ensembles auch emotionale Tiefe erlangt und zum Weiterdenken über unsere eigene Gesellschaft anregt.
Weitere Vorstellungen finden am 21.06., 22.06., 29.06., 30.06., 01.07., 06.07., 07.07., 12.07., 13.07., 19.07. und 20.07. statt.
von Nina Schäfer und Theresia Seisenberger