Monika Mann: Die Verfemte im Mann’schen Kosmos?
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Monika Mann hatte es lange Zeit nicht leicht: Ihre Familie um Vater Thomas Mann, besonders aber die Mutter, hält sie für faul und träge, irgendwie unangenehm im Umgang, von klein auf. Nach der Machtergreifung Adolf Hitlers müssen sie alle ins Exil fliehen. Und dann das große Drama: Als Monika gerade etwas Glück gefunden hat, wird sie auf tragische Weise mit nur 30 Jahren Witwe. Sie selbst überlebt das Schiffsunglück, bei dem ihr Mann ertrinkt, nur knapp. Sie ist eine ewig Ruhelose, depressiv, vom Liebesentzug der Familie gebeutelt, vom Verlust traumatisiert.
Auf Capri findet sie mit 44 Jahren endlich eine Heimat und einen neuen Partner, vor allem aber: Ruhe. 31 Jahre wird Monika auf der Mittelmeerinsel verbringen, 30 davon mit Antonio Spadaro, dem attraktiven Mann ohne Bildung und Wohlstand, dafür mit Feingefühl und Geduld. Diesen Capreser Jahren mit Rückblenden in Monikas Vergangenheit, sprich: die Kindheit, die Jugend, die Exiljahre, widmet sich Bestseller-Autorin Kerstin Holzer in ihrem erzählenden Sachbuch, das den Namen Monascella trägt. Es ist das Lebensporträt einer oft Vergessenen, aber auch das Porträt einer Familie, deren Nähe sich Monika trotz Diskrepanzen nie entziehen wollte.
Über eine Vernachlässigte
Mit Monascella hat Kerstin Holzer aber kein Korrektiv geschrieben. Vielmehr hat sie dem Narrativ Monika einen häufig übergangenen Erzählstrang hinzugefügt: den der einsamen Tochter, deren Familie an ihrem Bedürfnis nach Liebe, Geborgenheit und Fürsorge gescheitert ist. Emotional sympathisiert man mit dieser Eremitin, pragmatisch aber kann man doch auch immer wieder der Kritik der Eltern und Geschwister folgen. Denn während sich alle dem Familiendogma der Produktivität verschreiben, tanzt Monika verträumt und arbeitsscheu aus den Reihen. So bleibt es ihr Leben lang. Finanzielle Unabhängigkeit? Nein, erzwingen muss man schließlich nichts, vor allem nicht, wenn „Mielein“ (Mutter Katia) und „Herrpapale“ (Vater Thomas) finanziell so großzügig unterstützen. Vorwürfe der Faul- und Trägheit weist sie allerdings von sich. Weibliche oder in erster Linie familiäre Emanzipation sieht anders aus. Obwohl: Auf Capri versucht Monika im so erfolgreichen Familiengeschäft Fuß zu fassen. Sie schreibt. Was dabei herauskommt, sind ihre Memoiren Vergangenes und Gegenwärtiges. Die Familie ist entsetzt, die Kritik überraschend positiv gestimmt.
Kerstin Holzer jedenfalls weiß im lockeren Plauderton zu unterhalten. Ihr Porträt über Monika Mann, die selbst oft in Zitaten zu Wort kommt, ist pointiert und macht Spaß, insbesondere, da sie sich auf das Seelenleben ihrer Protagonistin fokussiert, ohne dabei den Kontext, also die Familie, aus dem Blick zu verlieren. Dass Holzer die vernachlässigte Monika Mann so ambivalent – und dadurch vielleicht zum ersten Mal realitätsnah – gezeichnet hat, verdient besondere Anerkennung.
von Luisa Bader
Kerstin Holzer
Monascella. Monika Mann und ihr Leben auf Capri
dtv 2022
208 Seiten
22,00 Euro