„Es. Geht. Mir. Gut.“
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Contentwarnung: Autounfall, Essstörungen, Frühgeburt, Sorgerechtsaufgabe, Tod, Trauerbewältigung, Verlustängste
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Eine einzige Nacht. Ein einziges Mal die Mauern fallen lassen. Ein einziges Mal frei im Regen tanzen. Ein einziger Fehler. Die Geschichte von Ophelia und Phoenix sollte nach einer unvergesslichen Nacht erzählt sein. Was keiner der beiden ahnt: Dass sie sich ein paar Monate später am ersten Tag des Abschlussjahres wiedersehen werden. Lia als eine der talentiertesten Tänzerin der New England School of Ballet, die ihre perfekte Fassade durchweg aufrechterhält. Phoenix als neuer Lehrer an der Schule, für den nicht nur sein Job auf dem Spiel steht. Shine Bright ist der dritte Teil von Anna Savas’ New England School of Ballet-Reihe, in dem bereits bekannte Charaktere aus den Vorgängern auftauchen und besonders Handlungsaspekte des ersten Bandes Hold Me gespoilert werden. Somit lohnt es sich, die Reihenfolge der Bücher zu beachten!
Druck, Kontrolle und Perfektion
Mit Details und Tiefgang widmet sich Anna Savas in diesem Band der Protagonistin Lia Winslow, die auf einem schmalen Grat zwischen Perfektion und Selbsthass wandert. Die Emotionslosigkeit ihrer Familie macht ihr zu schaffen, wobei sie seit Jahren versucht alles zusammenhalten. Doch Anerkennung bleibt aus. Aus Selbstschutz lässt sie nicht hinter ihre Fassade blicken – sowohl ihrer Familie gegenüber als auch ihren Freund*innen in der Ballettschule, sogar vor sich selbst und dem Ausdruck ihres Tanzes verschließt sie sich. Und dann fällt die Mauer an einem einzigen Abend vollkommen. Einem Abend, an dem sie ihren vollständigen Namen benutzt, weil es sich richtig anfühlt; an dem sie sich nicht zurückhält und ihre Gefühle nicht vor der Welt versteckt. Die Anziehung zu Phoenix ist von Anfang an ergreifbar. Bei ihm spielt Lia keine Rolle, bei ihm ist sie einfach sie selbst. Die Emotionen, die sie füreinander haben, und die (nach ersten Anfangshürden) durchweg aufrichtige Kommunikation lassen sogar über den Lehrer-Schülerin-Trope hinwegsehen.
Wie soll das gut ausgehen? Well – it does. Beide haben viele Geheimnisse, die sie seit Jahren mit sich herumtragen. Bei Lia äußern sie sich durch Distanz und das Gefühl des Alleinseins, das sie nachvollziehbar reflektiert, ohne jedoch selbst eine Antwort finden zu können. Phoenix konnte seinen Fluchtinstinkt fürs Erste überwinden und versucht sich seiner Verantwortung aus der Vergangenheit zu stellen und sie sich anzueignen.
„Ein bisschen wie Fliegen. Auf eine sehr geerdete Art und Weise, was keinen Sinn ergibt, aber das muss es ja auch nicht.“
Die Geschichte zeichnet sich durch das Mitempfinden des Verlorenseins aus. Jede Szene wirkt nachvollziehbar in ihrer Genauigkeit, keine kommt einem überflüssig vor. Neben dem Fokus auf die romantische Beziehung der Protagonist*innen stehen in diesem Band die Ballettschule und ihre Schüler*innen wieder mehr im Vordergrund.
Shine Bright lässt die Leser*innen von der ersten Seite an in die Geschichte eintauchen, mit den Charakteren mitfühlen und ihre Gedanken und Gefühle nachvollziehen. Der Roman offenbart die Illusion der Perfektion, wobei Selbstfindung und das Ablegen der Masken nicht nur für Lia und Phoenix eine Rolle spielen.
von Paula Heidenfelder
Anna Savas
Shine Bright – New England School of Ballet 3
LYX 2023
512 Seiten
14,00 Euro