Der ewige Kreislauf – eine weibliche Geschichte der Renaissance
—
Katharina de’ Medici, Maria Stuart, Elisabeth von Valois: Was verband diese drei Frauen miteinander? Welche Schicksale teilten sie? Welche Gefühle und Gedanken? Was trennte sie? Die Historikerin Leah Redmond Chang setzt in ihrem herausragend erzählten Sachbuch Junge Königinnen neue Standards der historischen Biografie. Mit einem weiblichen Blick auf die drei Renaissance-Königinnen macht sie deutlich, welchem Druck sie sich ausgesetzt sahen und wie viel von ihnen physisch wie psychisch abhing. Dabei fängt sie die Realität in ihrer Gänze ein und beschränkt sich nicht auf politische und kulturelle Eckpunkte. Vielmehr liefert sie intensive Charakterstudien, die nicht allein der umfangreichen Seitenanzahl zu verdanken sind, sondern ihrem sehr persönlichen, ja intimen Blick entspringen.
Die jungen Königinnen
Mit 14 Jahren wird die Waise Katharina de’ Medici mit dem Zweiten in der französischen Thronfolge verheiratet – darüber entschieden hat nicht sie. Ihr Schwiegervater, König Franz I., erhofft sich durch das Bündnis mit den einflussreichen Medicis (obwohl bürgerlich) politische Vorteile für seine Expansion in Italien. Nach dem Tod des Thronfolgers wird sie an der Seite ihres Mannes Königin von Frankreich, später de facto regierende Königsmutter.
Nach dem Tod ihres Vaters wird Maria Stuart bereits mit neun Tagen souveräne Königin von Schottland. Während ihre Mutter dafür kämpft, dass ihrer jungen Tochter der Anspruch auf die Krone nicht streitig gemacht wird, wächst die Halbwaise Maria am französischen Hof auf – abseits der schottischen Revolten. Mit 15 Jahren heiratet sie den französischen Thronerben. Mit 18 Jahren ist sie bereits Witwe. Was folgt, ist ein Leben in Gefangenschaft.
Elisabeth von Valois ist die mittlere Tochter Katharina de’ Medicis. Mit 12 Jahren heiratet sie den spanischen König Philipp II. – ihre Eltern haben die Ehe arrangiert, um den immerwährenden Spannungen zwischen Frankreich und Spanien ein Ende zu bereiten. Philipp ist fast 20 Jahre älter als Elisabeth und in den ersten Jahren der Ehe kühl und distanziert. Ihr hingebungsvolles, nicht selten schmerzhaftes Leben beschreibt Redmond Chang besonders feinfühlig und voller Sympathie für die jugendliche Regentin.
Lang lebe der König? Lang lebe die Königin!
Katharina, Maria und Elisabeth – was haben sie gedacht? Was gefühlt? Was gewollt? Zahlreiche Briefe geben darüber Aufschluss. Als Historikerin weiß Leah Redmond Chang sie einzuordnen und die Lebensläufe der jungen Königinnen nicht nur miteinander zu verflechten, sondern anhand ihrer Schicksale auch das Bild einer ganzen Epoche zu zeichnen, in der alle drei Protagonistinnen waren und nicht nur weibliche Nebenfiguren im Drama ihrer Männer. Als Frau weiß Redmond Chang außerdem einfühlsam mit den dezidiert weiblichen Themen – Periode, (Un-)Fruchtbarkeit, Schwangerschaft, (Fehl-)Geburten, Wochenbett – ihren besonderen Fokus zu setzen, der in der Geschichtsschreibung leider viel zu selten Beachtung findet. Und das obwohl von der Zeugung eines Erben doch alles abhing. So ist die Biografie über die drei Mädchen, die viel zu früh Frauen werden mussten, auch eine zeitlose Geschichte über Weiblichkeit und Körperlichkeit. Und damit ist Leah Redmond Changs Junge Königinnen eine wahrlich mitreißende Lektüre und ein ganz persönliches Sachbuch-Highlight des Herbstes.
von Luisa Bader
Leah Redmond Chang
Junge Königinnen. Katharina de’ Medici, Elisabeth von Valois, Maria Stuart und der Preis der Macht
Aus dem Englischen von Claudia Amor, Johanna Ott und Jörn Pinnow
Goldmann 2023
640 Seiten
28,00 Euro