„Hast du schon mal Ich will gesagt?“
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Was haben ein Kaufhaus rund um den Schlafbedarf und ein Theater gemeinsam? Zwischen Kissen, Laken und Seidenbettwäsche sowie auf einem widerstandsfähigen Bettgestell fand am 30. November 2023 die Premiere zu „I do! I do! Das musikalische Himmelbett“ des Theaters im Gärtnerviertel statt. Für eine wohlige Schlafzimmeratmosphäre sorgt das Geschäft Betten Friedrich als räumlicher Gastgeber des Musicals.
Was macht eine Ehe(-frau) aus? Und wie hat sich die Sichtweise im Verlauf der letzten Jahrzehnte in der Gesellschaft verändert? Diesem zeitlosen Thema widmeten sich schon Tom Jones und Harvey Schmidt in ihrem Musicalklassiker „I do! I do!“. In einer brandneuen Inszenierung von Nina Lorenz legt das TiG den Fokus auf die Höhen und Tiefen einer Ehe, die ihren Anfang in den späten 1950ern hat. Agnes (Laura Mann) und Michael (Patrick L. Schmitz) heiraten im Jahr 1957 – die Verhältnisse der Zeit bestimmen Grundlage und Richtlinien ihrer Ehe. Die Rolle der Frau als Hausfrau und des Mannes als Alleinverdiener sind Inhalt dieser aus heutiger Sicht sehr konservativen Geschlechterverhältnisse. Mit Humor und Witz führt das Musical die Zuschauer*innen durch die Höhen und Tiefen von Michaels und Agnes Beziehung. Durchbrochen wird diese emotionale Reise durch die nüchtern vom Rand der Bühne eingeworfenen Statistiken und Fakten, welche schrittweise die historische Emanzipation der Frau, wie monetäre Unabhängigkeit, beleuchten. Viele Unstimmigkeiten innerhalb der Partnerschaft bleiben im Verlauf der Aufführung unaufgeklärt, sodass andauernde Reibungspunkte zwischen den Geschlechtern bestehen, die nur allzu menschlich sind. Das Stück legt den Fokus dabei nicht auf die vollständige Emanzipation von Agnes, sondern inszeniert vielmehr ein ständiges Aushandeln der Wünsche und Bedürfnisse des jeweils anderen. Letztendlich zeigt sich, dass sowohl die Ehe als auch das Leben aus einem sich stetig wiederholenden Kreislauf bestehen, der an das Ende des Einen, den Neuanfang von etwas Anderem setzt.
„Nobody is perfect!“
… aber diese Inszenierung ist verdammt nah dran! Auf der kleinsten Bühne der Welt – dem Himmel- und gleichzeitigen Ehebett von Agnes und Michael – ereignet sich der Mikrokosmos des Lebens. Laura Mann, Patrick L. Schmitz und Franz Tröger, der sowohl die musikalische als auch die historisch-kontextuelle Rahmung trägt, erschaffen mit wenig Requisite und einfachen Kostümen eine Atmosphäre, die die Zuschauer*innen in ihren Bann zieht und Partei für eine Seite ergreifen lässt. Die Inszenierung ist so gestaltet, dass das Publikum von Anfang an einbezogen wird und seinen Emotionen freien Lauf lassen kann. Neben der szenischen Gestaltung ist vor allem die musikalische Umsetzung für den großen Erfolg der Premiere verantwortlich. Durch starke Stimmen, klangvolle Duette und eine Ein-Mann-Band, die durch Vielseitigkeit und Geschick besticht, werden die Anwesenden emotional noch näher an die Schicksale der Figuren gebunden.
Die Theaterpremiere, die außerdem das 100-jährige Bestehen von Betten Friedrich mit dem 10-jährigen Jubiläum vom TiG vereinte, hinterlässt viele Zuschauer*innen gerührt und nachdenklich. Denn nichts ergreift uns mehr als das Leben selbst.
Die nächsten Aufführungen finden am 01.12., 02.12., 07.12., 08.12., 10.12. sowie vom 14.12. bis 17.12. und am 19.12. und 20.12. statt. Weitere Informationen zu den Spielzeiten findet ihr auf der Website des TiG.
von Judith Heruc und Lea Griesbach
Laura Mann und Patrick L. Schmitz © Werner Lorenz