Alles neu macht der Sommer
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In Kevin Junks zweitem Roman Saturns Sommer begleitet man Alex, Pina und Tom von Juni bis September – von Großstadt bis Brandenburger Land, vom Herzschmerz alter Beziehungen zu neuen Liebhabenden, vom Ausbrechen aus dem Alten zum Finden des Neuen. Ein Berliner Sommer, der atmosphärisch von Junk eingefangen wird, ist die Kulisse, vor der die drei queeren Protagonist*innen zu sich und ihrer Zukunft finden. Alex sehnt sich nach seiner Masektomie nach „Sommer und nach Durchatmen“. Aber auch für dey sind Fragen der Lebensgestaltung unausweichlich. Wie und wo will ich leben? Was sind meine Prioritäten? Wen will ich in meinem Leben, in meinem Alltag? Pina nimmt sich eine Auszeit von ihrem fordernden Job in einer Galerie, und entgeht damit gerade so dem Burnout. Der Sommer gibt ihr nun den Raum sich zu erholen und selbst zu finden. Toms Therapie neigt sich dem Ende zu, die letzte Sitzung steht am Ende des Sommers an. Die aufgearbeiteten Traumata lassen sich nicht mehr verdrängen, bald muss er „alleine zurechtkommen“. Die drei Protagonist*innen finden Sicherheit in Freundschaften, Hoffnung in neuer Liebe und einen Sommer, der sie zu sich führt.
Leicht, aber nicht unbeschwert
Junks Erzählton ist ruhig, aber eindringlich. Der Roman hat es nicht nötig mit Plot-Twists zu fesseln, dennoch geschieht viel in Saturns Sommer, im Leben der Protagonist*innen: viel inneres Wachstum, viel Verarbeiten von Vergangenem, viel Klarwerden über die Wünsche für die eigene Zukunft. Junks Fähigkeit authentische Gegenwartsliteratur zu schreiben, wurde bereits in seinem Debütroman Fromme Wölfe deutlich und zeigt sich auch in Saturns Sommer wieder – an Beispielen wie dem Kommunizieren über Sprachnachrichten, die erst nur halb abgehört werden, Aussagen wie „das fühl ich so sehr“ um Verständnis zum Ausdruck zu bringen oder dem selbstverständlichen Einbauen von englischen Phrasen in der Rede. Menschen wie Alex, Pina und Tom, Menschen in ihren Zwanzigern und Dreißigern in Großstädten verhalten sich so – Kevin Junk fängt das ein, ohne dass es stilistisch unschön oder übertrieben wirkt. Den Leser*innen wird viel Raum gegeben sich selbst im Roman wiederzufinden: sowohl in den Ängsten und Unsicherheiten der drei Freund*innen als auch den bereichernden Nebencharaktere, die gekonnt als Spiegel verwendet werden, in den Kämpfen mit sich selbst und dem Umfeld sowie dem ständigen Hinterfragen und dem inhärenten Wunsch danach, dass sich die eigene Situation verbessert. Kevin Junk gelingt es, genau diese Vielseitigkeit der Themen sowie die Diversität der Charaktere abzubilden. Er schafft dadurch Möglichkeiten der Identifizierung für die Lesenden und all das mit einem Hauch Poesie versehen. Für ein Buch, dessen Schnitt beim letzten Zuschlagen durch lauter Haftstreifen mit all den markierten Sätzen, die besonders poetisch oder inhaltlich so berührend waren, mehr bunt als weiß erscheint, ist nur eine Empfehlung auszusprechen.
von Michaela Minder
Kevin Junk
Saturns Sommer
Querverlag 2023
248 Seiten
18,00 Euro