Große Themen im Mini-Format
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Für die 34. Bamberger Kurzfilmtage ist die VHS Bamberg in ein Kino umgewandelt. Gebannt sitzen die zahlreichen Zuschauer*innen am 26. Januar auf ihren Stühlen, um „Menschliches, Allzumenschliches“ zu sehen. Die Subkategorie „Toxische Menschlichkeit“ im Wettbewerb Spielfilm wartet mit sieben Kurzfilmen auf. Das Publikum darf für die Kategorie „Publikumsliebling“ mit Schulnoten bewerten.
Auf knapper Länge von vier bis zu 23 Minuten flimmert ein Kaleidoskop menschlicher Regungen, Begegnungen und Nöte über die Leinwand. Es geht um nicht weniger als Freud und Leid, um Leben und Tod, und um die Grenzbereiche dazwischen. Vor allem aber geht es um Menschen.
Da ist zum Beispiel Oma Ingrid, die im zauberhaft animierten Film Charon die (Unter-)Welt des mythischen Fährmanns mit ihrem Berliner Charme ein wenig bunter macht. Eine Art Fährmann der modernen Art ist der Taxifahrer aus Nachtgesichter. Auch er arbeitet in einer dunklen Welt, auch er kann sich seine Fahrgäste nicht auswählen. Welches Drama sich entspinnt, als eines Nachts eine Obdachlose sein Taxi nicht verlassen möchte, wird von Martin Winter und Stefan Langthaler mit großer Feinfühligkeit erzählt.
Wie nah Freud und Leid beieinanderliegen, zeigt die türkischsprachige Produktion Salça. Eine abendliche Unterhaltung zweier befreundeter Paare wird immer wieder durch Gesprächsfetzen aus einer der Nachbarwohnungen gestört. Nur durch ein paar Wände getrennt, werden sie Ohrenzeugen häuslicher Gewalt. Ob sie eine Grenze überschreiten, wenn sie eingreifen? Diese Frage wird jäh für sie beantwortet. Grenzziehungen und Grenzüberschreitung thematisiert auch Pauline Schlägers unbequemes Drama Tanktop. Beide eindringlichen Beiträge wurden durch die Gespräche mit Filmschaffenden im Anschluss etwas verdaulicher.
Nur Freud und ja kein Leid – auf originelle Art und im wahrsten Sinne des Wortes verkürzt stellt Marion Kellmann in …und der Sünder bereut das Genre Heimatfilm dar. Durch szenische Montage verschiedener Heimatfilme aus den 1940er bis 1960er Jahren reduziert sie die „Heile-Welt-Schnulze“ auf ihre klischeehafte Essenz. Dies entlockte den Festivalbesucher*innen ebenso ein Schmunzeln wie Lisa Wagners Geht schon. Die gewitzte Prämisse des Films: Was wäre, wenn wir körperliche Erkrankungen so behandeln würden wie psychische? Die Knochen durchstechen sichtbar die Haut ihres Schienbeins – und Protagonistin Lisa darf sich anhören, es sei vielleicht nur eine Phase und ob sie es mit Sport versuchen wolle? Wie wir Leid mit zweierlei Maß messen, ist durch die Metapher des offenen Knochenbruchs eingängig ins Bild gesetzt. In den Abend entließ der kürzeste Beitrag AmWiRe, in dem der Busfahrer Martin sich im titelgebenden „Amt für Wiedergeburt und Reinkarnation (AmWiRe)“ für eine Art von Leben entscheiden muss… Will er als Mensch oder als Baum wiedergeboren werden?
Entscheiden muss sich die dreiköpfige Fachjury für einen der Beiträge und ich beneide sie nicht um diese Aufgabe. Alle Einreichungen überzeugten durch ihre Humanität, ihre Warmherzigkeit und Kreativität. Von meiner Seite gab es nur gute Zensuren.
Wer die begehrte Trophäe des goldenen Zentauren in den Kategorien „Spielfilm“ und „Publikumsliebling” erhält, wurde auf der Preisverleihung am Samstag, den 27. Januar verkündet.
Und wem das Lust auf mehr macht – vom 29.01. bis 04.02. gibt es alle Wettbewerbsfilme im Festivalstream zu sehen. Online unter: https://www.bamberger-kurzfilmtage.de/streaming
von Jana Paulina Lobe