Mafia-Ermittlungsstory vs. Liebesgeschichte
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Content Warning: Explizite Darstellungen von exzessiver physischer und psychischer Gewalt, häuslicher Gewalt, Gewalt gegen Kinder, emotionale Vernachlässigung von Kindern, Mord an einem Kind
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Marie Graßhoff nennt Happy Meat in ihrer Danksagung „ein softes Dark-Romance-Mafiabuch“, eine treffende Beschreibung. Die Protagonistin Cava ist die Nachfahrin der Liebesgöttin Aphrodite und bereitet sich seit ihrer Kindheit auf die Übernahme des Familienunternehmens vor und arbeitet bis dorthin selbst bei der Fleischerei-Lieferkette. Nahrungsmittel auszuliefern ist nicht die einzige Dienstleistung, die VERY HAPPY MEAT anbietet. Der Handel mit Organen von Verbrechern ist das zweite Standbein der Familie Hayes.
„Wir stehen über dem Gesetz. Wir stehen über der Gerechtigkeit. Wir sind der Anfang der verschissenen Nahrungskette.“ – Ransom Hayes, Cavas Vater, lässt keine Gnade walten, auch nicht seinen eigenen Kindern gegenüber. Als Erbin steht Cava hinter ihrer Familie und würde alles für sie tun. Als sie jedoch entdeckt, dass einer ihrer Brüder (es sind insgesamt zehn, es gibt eine eigene Übersicht und einen Stammbaum zur Familie, sehr hilfreich) Informationen mit der Behörde D.I.E.T. ausgetauscht hat und somit zum Verräter der Familie wird, bekommt ihr vorgeplantes Leben und das Vertrauen in ihre Eltern Risse.
„Das euphorische Gefühl von ausgleichender Gerechtigkeit.“
Cava ist eine knallharte Protagonistin, die gelernt hat, in jeglicher Situation keine Gefühle nach außen zu kehren. Ihr weicherer Kern gegenüber ihren Brüdern ist allerdings von Anfang an spürbar. Sie möchte ihren eigenen Weg gehen und hinterfragt immer mehr die kriminellen Machenschaften der Familie. Dabei kommt der anfangs schwer einschätzbare Colt ins Spiel. Er stolpert unerwartet bei einem Auftrag in Cavas Leben. Er hat bereits Verluste in seinem Leben erlitten und deshalb wenig zu verlieren. Mit seiner Hilfe deckt die Protagonistin immer mehr Verschwörungen hinter der undurchdringlichen Fassade ihrer Mutter und ihres Vaters auf. Nicht nur auf geschäftlicher Seite offenbart sich immer mehr; Colt ist auch derjenige, der Cava direkt auf den elterlichen Missbrauch anspricht und ihr gegenüber kein Blatt vor den Mund nimmt. Eine (angenehme) Überraschung für Cava, die es gewohnt ist, dass Menschen Angst vor ihr und ihren zahlreichen Familienmitgliedern haben.
„Kontrolle. Was für ein Witz.“
Auf der Lübbe-Website ist eine Altersempfehlung ab 16 Jahren festgehalten. Verständlich, das Buch ist nichts für schwache Nerven. Allein von Cavas Eltern geht so viel Misstrauen, Überwachung und Gewalt aus, dass die expliziten Szenen der Misshandlungen – vor allem den Kindern gegenüber – mit eigener Vorsicht und Verantwortung zu lesen sind.
Obwohl viele Namen im Roman genannt sind, kann schnell identifiziert werden, wer wer ist, da die Autorin Informationen und Zwischenbeziehungen einfach beim Wort nennt, ohne Ausschweifungen. Marie Graßhoffs Schreibstil und Charakterbuilding sind detailliert, ohne überladen zu sein, dabei flüssig und informativ. Nach Hard Liquor und Spicy Noodles geht es in Happy Meat spannend weiter und die Freude auf Magical Fries (ET: 27.09.2024) wächst stetig an. Die Verbindung zum SPICY NOODLES und anderen Göttererben ist am Anfang noch nicht so schlüssig, wenn man die vorhergehenden Bände nicht kennt. Happy Meat lässt sich trotzdem auch einzeln verstehen und ist einfach ein Meisterstück an Kombinationskunst.
von Paula Heidenfelder
Marie Graßhoff
Happy Meat. Der Geschmack der Liebe (Food-Universe – Band 3)
Lübbe 2023
607 Seiten
17,00 Euro