Der Beat hinter der Mauer
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Anfang der 1960er Jahre: Die Beatles erobern als eine der einflussreichsten und erfolgreichsten Musikgruppen die ganze Welt. Mit ihren eingängigen Melodien begründeten die vier Mitglieder – John Lennon, Paul McCartney, Ringo Starr und George Harrison – das Pop-Rock-Genre ‚Beatmusik‘. Fortan brach eine regelrechte ‚Beatlemania‘ aus und machte auch nicht vor dem Eisernen Vorhang halt, der Ost und West voneinander teilte. Der Musikjournalist Wolfgang Martin schildert mit Schluss mit dem YEAH, YEAH, YEAH? Die BEATLES und die DDR den Einfluss, den die Pilzköpfe selbst in der Deutschen Demokratischen Republik hatten, und verdeutlicht parallel dazu die Hürden, die die Hörer*innen und Musiker*innen dafür überwinden mussten.
Verbotenes Yeah, Yeah, Yeah
Bereits in den frühen 1960ern versuchte die DDR eine moderne Musikkultur zu etablieren, die sich jedoch deutlich von der westlichen Tanzmusik unterscheiden sollte. Inspiriert von Musikgrößen wie den Rolling Stones und den Beatles entwickelte sich jedoch immer mehr eine lebendige Beatszene in Ostdeutschland, aus der Beatgruppen wie die Sputniks, die Butlers und das Diana Show Quartett hervorgingen. Auch das heimlich gehörte Westradio und Plattengeschenke der westlichen Verwandtschaft beflügelten – laut Martin, der selbst ein junger Beatles-Fan war – die Jugendkultur der DDR.
1965 änderte sich die Haltung der DDR-Führung gegenüber der beliebten Beatmusik, nachdem es im Anschluss auf ein Konzert der Rolling Stones in Westdeutschland zu Krawallen kam. Auf dem 11. Plenum des Zentralkomitees der SED äußerte sich der damalige Chef der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands, Walter Ulbricht, folgendermaßen: „Ist es denn wirklich so, dass wir jeden Dreck, der vom Westen kommt, nu kopieren müssen? […] [M]it der Monotonie des Je-Je-Je und wie das alles heißt, ja, sollte man doch Schluss machen.“ Ulbricht bezog sich dabei auf den Song „She Loves You (Yeah, Yeah, Yeah)“ der Beatles, der im selben Jahr auf der ersten für die DDR lizenzierten Langspielplatte veröffentlicht wurde. Martin referenziert auf diesen Einschnitt ebenfalls im Buchtitel.
Fortan wurde im Radio und Fernsehen Beatmusik verboten, englische Bandnamen untersagt und Beatgruppen gleich ganz die Lizenz entzogen. Allein in Leipzig waren 44 Gruppen betroffen, was zur Leipziger Beatdemo führte, die gewaltsam und mit über 200 Festnahmen aufgelöst wurde. Dennoch waren die Auswirkungen auf die Jugendkultur der DDR erheblich, weswegen der Autor die Geschichten vereinzelter Beatbands erzählt.
Doch nicht nur die Bands und Musiker*innen, die mit den Beatles koexistierten, werden beleuchtet, auch zahlreiche große Stars der DDR wie Bandmitglieder der Puhdys, Silly, Karat und Veronika Fischer werden in Interviews von Martin über ihre Verbindung zur Beatmusik und den Einfluss der Band aus Liverpool befragt. Alle haben hierbei eine Vergangenheit mit den Beatles, obwohl manche von ihnen erst mit der Musik angefangen haben, als die Band schon längst Geschichte war.
In den Interviews und persönlichen Anekdoten liegt auch das Kernstück von Schluss mit dem YEAH, YEAH, YEAH? Die BEATLES und die DDR. Martin bringt eine bewegte Vergangenheit mit, die sich gut in die teils sachlich geschilderte Musikgeschichte einfügt. Als Radiomoderator, unter anderem beim Jugendradio der DDR, DT 64, kann er auch von beruflichen Veränderungen hinter dem Eisernen Vorhang berichten. So spiegelt sein Schreibstil spiegelt sowohl sein umfangreiches Wissen über die Musikgeschichte in Ostdeutschland als auch sein persönliches Interesse an den Beatles wider. All dies wird durch eine umfangreiche Fotosammlung unterstrichen, die ab und zu das Googeln nach den beschriebenen Personen und Platten ersetzen kann. Dennoch ist eine erweiterte Suche aufgrund der Fülle an erwähnten Musikgruppen und Informationen für einen guten Lesefluss unerlässlich.
Beatlemania in der DDR
Schluss mit dem YEAH, YEAH, YEAH? Die BEATLES und die DDR von Wolfgang Martin ist eine gelungene Mischung aus Fanbegeisterung, Hintergrundwissen und Musikgeschichte. Der Autor zeichnet mit seinem kurzweiligen Sachbuch ein umfangreiches Porträt der Beatles in Ostdeutschland und gibt obendrein noch einen Einblick in die damalige Jugendkultur, die mit vielen Hürden und Verboten in ihrer Entwicklung zu kämpfen hatte. Insgesamt ein gelungener Blick auf den Einfluss der Beatlemania, die sich auch von Mauern nicht aufhalten ließ.
von Celine Buschbeck
Wolfgang Martin
Schluss mit dem YEAH, YEAH, YEAH? Die BEATLES und die DDR
Bild und Heimat 2023
224 Seiten
19,99 Euro