„Ich will nicht, dass er denkt ich bin ein Versager.“
—
CW: Drogenkonsum, Transfeindlichkeit
—
Das Odeon beteiligt sich als eines von über 40 Kinos in Deutschland und Österreich an der Queerfilmnacht, in der jeden Monat ein internationaler Film der Edition Salzgeber gezeigt wird. Was für eine Bereicherung Bambergs, dass das Odeon diesen Geschichten auch hier Raum gibt.
In Mutt taucht man als Zuschauer*in anhand von 24 Stunden in das Leben von Feña (Lío Mehiel) ein, einem trans Latino Mitte 20. In New Yorks flirrendem Sommer trifft Feñas Vergangenheit auf seine Gegenwart – und das dreifaltig. Papa Pablo (Alejandro Goic) sucht nach zwei Jahren wieder den Kontakt und fliegt Feña aus Chile besuchen. Zusätzlich ist John (Cole Doman), der Exfreund wieder in der Stadt, der mit Feña vor eineinhalb Jahren, vor der Transition, zusammen war. Die Anspannung aufgrund der bevorstehenden Ankunft des Vaters wird durch das Zusammentreffen mit John intensiviert und Feña hat mit den überbordenden Gefühlen zu kämpfen. Als dann noch seine 13-jährige Halbschwester Zoe (MiMi Ryder) nach längerer Funkstille die Nähe zu ihm sucht, droht Feña in der Überforderung zu ertrinken.
Vuk Lungulov-Klotz schafft es in seinem Debütfilm einprägsam die Lebensrealität von trans Personen darzustellen. Das „Dazwischen“, wenn die Transition bereits begonnen hat, aber Menschen aus dem früheren Leben erst jetzt wieder ins Kontakt treten und sich folglich die Dynamiken verändert haben, wird an drei unterschiedlichen Beziehungen verhandelt. Sie alle teilen jedoch die ständige Belastung innerlich gewappnet sein zu müssen, sich zu erklären, zu rechtfertigen, zu verteidigen sowie die Frage, ob die Menschen heute noch zusammenpassen, inwiefern ein Verhältnis zueinander möglich und gewollt ist. Der Regisseur flicht diese Erfahrungen einer Transition geschickt in die Vielschichtigkeit von Beziehungen ein. Lässt sich trotz all dem Schmerz, der zu einer Trennung geführt hat an eine alte Liebe wieder anknüpfen? Wie können Geschwister zusammenhalten, wenn die Situation mit den Eltern sie zerreißt? Wie lässt sich einem Elternteil wieder vertrauen, das einem im Stich gelassen hat und wie nachhaltig ist die neu beschworene Verlässlichkeit? All diese Reflektionen werden in Mutt mit nahe gehenden Dialogen und eindrücklichen Bildern transportiert. Eingebettet in alltägliche Erfahrungen des Navigierens seiner Transgeschlechtlichkeit bietet Mutt einen einfühlsamen Blick auf das Leben von Feña und kann somit ein neues Verständnis bei den Zuschauenden wecken.
Lío Mehiel, selbst nicht-binär, setzt die Hauptrolle mit Authentizität und Können um, aber auch besonders Cole Doman besticht in den emotional fordernden Szenen. Die Sensibilität für Story und Umsetzung sichert der Regisseur, so dass die vielen Nominierungen und Auszeichnungen absolut nachvollziehbar sind.
Der Film erweckt mit seinen 82 Minuten Laufzeit und dem zeitlichen Erzählrahmen von 24 Stunden, sowie der zwar inhaltlichen starken Auseinandersetzung, aber fehlender finaler Klärung der Konflikte, fast schon den Anschein eines Kurzfilms. Aber dieses erste Empfinden, als der Abspann eingeblendet wird, zeugt nur davon wie mitreißend Mutt als Film ist und meistert genau seine Prämisse: Einblick in eine trans Erfahrung geben und zeigen, dass es wie in jedem Leben, in jeder Beziehung keine perfekte Lösung gibt, sondern die Komplexität davon zeugt, dass es echt ist.
Eine nachdrückliche Empfehlung für die Queerfilmnacht im Odeon ist hier selbstredend auszusprechen: immer am dritten Donnerstag des Monats – im Juli folgt Fireworks von Guiseppe Fiorello.
von Michaela Minder
Vuk Lungulov-Klotz
Mutt
englisch-spanische Originalfassung mit deutschen Untertiteln
USA 2023
82 Minuten
FSK 12