Giuseppe Fiorello – Fireworks
Giuseppe Fiorello – Fireworks

Giuseppe Fiorello – Fireworks

„Weil jede Geschichte einmal ein Ende hat“

CW: Gewalt, Queerfeindlichkeit

Giuseppe Fiorellos Film Stranizza d’amuri, zu Deutsch etwa „Die Seltsamkeit der Liebe“, erzählt von einer jungen schwulen Liebe, der Ungerechtigkeit und Grausamkeit einer Gesellschaft, die in toxischer Männlichkeit ertrinkt, und dem Aufbäumen gegen Widerstände.

Fireworks, wie der Film in der Version mit deutschen Untertiteln heißt, versetzt die Zuschauenden ab der ersten Kameraeinstellung in den flirrenden Sommer 1982 in einem ländlichen Teil Siziliens, in dem die Armut, Aussichtslosigkeit und Rohheit der Dorfbewohner*innen auch jenseits der Kinoleinwand regelrecht spürbar ist.

Diesem Umfeld ist der 17-jährige Gianni (Samuele Segreto) ausgeliefert. Die Gewalt der Queerfeindlichkeit schlägt ihm von allen Seiten entgegen: die Anfeindungen der anderen Männer, eine vermeintliche Freundin, die ihn zum einen outete und ihn zum anderen, in einem Versuch, ihn zu schützen, dazu anhält, sein Licht zu dimmen, und am eindrücklichsten die unterschwellige Ablehnung der eigenen Mutter aufgrund seiner Sexualität. Trotz dieses feindseligen Klimas gibt Gianni nicht auf und versucht, seinen Weg zu gehen. Dieser der führt ihn durch eine zufällige Begegnung zu Nino (Gabriele Pizzurro). Nino wird als ruhiger, verträumter Teenager vorgestellt, der mit dem Männlichkeitsgebärden seiner Familie wenig anfangen kann, aber vollkommen in der künstlerischen Freiheit des Geschäfts seines Vaters aufgeht: dem Kreieren von Feuerwerken. Wie Symphonien komponiert Nino die Wunderwerke aus Farben und Funken. Im Schutz dieser bunten Sternschnuppen finden Gianni und Nino zueinander.

„Das, was man heimlich tut, kann man ewig tun“

Fiorello schafft es, neben dem zarten Aufblühen der jungen Liebe die Nebencharaktere detailliert zu zeichnen und durch sie das raue Sizilien greifbar zu machen. Man wird als Zuschauer*in ganz eingenommen von den subtilen Dynamiken, die durch diese Figuren transportiert werden. Es gibt den klassischen Bully, der nach außen den größten Macho und Frauenheld gibt, nur um sich dann im Geheimen an Gianni ranzumachen. Als dieser versucht sich ihm zu entziehen, lässt er eine noch härtere Welle der queerfeindlichen Gewalt über ihn hereinbrechen. Die sozialen Mechanismen des Mitlaufens und des Verschwörens als Gruppe gegen ein ausgesuchtes Opfer lenken das Verhalten des sozialen Umfelds von Gianni und Nino. Die Motivationen dahinter, primär aus Langeweile und weil es leichter ist, Narrative stumpf zu reproduzieren, anstatt zu hinterfragen, sowie das Klammern an den Glauben, rechtschaffend Selbstjustiz zu betreiben, zeichnen das Bild eines Süditaliens vor 40 Jahren, das zum heutigen Sizilien nicht unverkennbar ist. Auch die Frauen, die den Männern in der Queerfeindlichkeit um nichts nachstehen, sowie die toxischen Männlichkeitsvorstellungen werden durch Fiorellos subtiles Spiel mit den Figuren perfekt eingefangen. Als Gianni und Ninos Beziehung verraten wird, wird die volle Konsequenz eines solchen sozialen Klimas deutlich und man bleibt als Zuschauer*in erschüttert und mit Tränen in den Augen zurück.

Der melancholische Soundtrack von Franco Battiato wiegt die Zuschauenden durch hoffnungsvolle Klänge in falscher Sicherheit. Die bedrohlichen Schläge des Feuerwerks werden immer dominanter und ziehen eine Parallele zu den letzten beiden verhängnisvollen Tönen, mit denen die Geschichte von Gianni und Nino zu Ende geht. Das Regiedebüt von Fiorello basiert auf dem realen Kriminalfall Delitto di Garre, der sich 1980 auf Sizilien zutrug und eine Mobilisierung von Aktivismus hervorrief, aus dem die Organisation Arcigay – Associazione LGBTI+ italiana hervorging, die bis heute tragend im Kampf für queere Rechte in Italien ist. Die Forderung nach Filmen, in denen es für queere Personen ein Happy End gibt, ist absolut berechtigt, aber in diesem Fall ist es richtig und wichtig, Giorgio und Antonio, des Paars, auf dem Fireworks basiert, und all derer, die Ähnliches erfahren haben, zu gedenken.

Die Queerfilmnacht im Odeon kann nur wieder empfohlen werden: immer am dritten Donnerstag des Monats – im August folgt Patagonia von Simone Bozzelli.

von Michaela Minder

Giuseppe Fiorello
Fireworks
Italienische Originalfassung mit deutschen Untertiteln
Italien 2023
134 Minuten

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