TiG im Odeon – The Purple Rose of Cairo 
TiG im Odeon – The Purple Rose of Cairo 

TiG im Odeon – The Purple Rose of Cairo 

„Gestern Abend lief ein neuer Film, er war großartig.“  

CW: Gewalt in der Ehe  

Welchen Titel würden Sie nennen, wenn man Sie nach Ihrem Lieblingsfilm fragen würde? Cecilia (Heidi Lehnert), die Protagonistin der Theater-Film-Liaison, hätte darauf eine eindeutige Antwort: The Purple Rose of Cairo! Wir haben uns von ihrer Flucht in den Kinosaal anstecken lassen und uns die TiG-Premiere (Wiederaufnahme) von The Purple Rose of Cairo am 24.07.2024 im Odeon angesehen. Dabei wechselten wir nicht nur vom Saal 1 in den Innenhof des Odeons, sondern unser Blick glitt auch immer wieder zwischen Leinwand und Theaterbühne hin und her. Das Stück basiert auf dem gleichnamigen Film von Woody Allen aus dem Jahr 1985, für das TiG inszeniert von Nina Lorenz. 

Auch der filmische Teil wurde vom TiG-Ensemble neu gedreht und spielt in New Jersey in den 1930er Jahren: eine in einen depressiven Schleier getränkte Gesellschaft in Schwarz-Weiß. Drei gelangweilte Amerikaner*innen reisen spontan nach Ägypten und lernen dort den charmanten Archäologen Tom Baxter (Benjamin Bochmann) kennen. Dazwischen sehen wir die Kellnerin Cecilia auf der Kino-Bühne Soja-Latte servieren. Sie ist in einer gewaltvollen Ehe mit Monk (Martin Habermann) gefangen und hechtet von Nebenjob zu Nebenjob. Um dieser Tristesse zu entkommen, flüchtet sie sich ins Kino. Eines Abends klettert ihr Held Tom Baxter einfach aus der Leinwand. Er ist angetan von Cecilias Leidenschaft für den Film und sie lässt ihn nur zu gern einen hollywoodreifen Glanz über ihr Leben ziehen. Als dann auch noch der zugehörige Schauspieler von Tom Baxter, Gil Shepard, auftaucht, ist die Verwirrung fantastisch. Entscheidet Cecilia sich für die farblose Realität oder für die flirrende Fiktion?  

„Faszinierend: Ihr liebt euch und es gibt keine Abblende …“   

Dem TiG-Ensemble ist eine einzigartige Inszenierung gelungen. Im Kontrast zum Schwarz-Weiß-Film auf der Leinwand hüpft ein riesiger gelber Nacho über die Outdoor-Bühne und entertaint das Publikum: „Ihr seid wohl nicht ganz knusper!“ Oder Stephan Bach trägt ein blinkendes Stirnband und fungiert im Kinosaal als Spielautomat. Die Grenze zum Klamauk ist an mancher Stelle nur haarscharf, das Publikum bricht immer wieder in wieherndes Gelächter aus. Faszinierend sind vor allem die vielen Ebenen, die dieses Stück aufmacht und durchbricht: Die Figuren auf der Leinwand sprechen mit den Theatercharakteren auf der Bühne oder richten sich direkt ans Publikum, Tom Baxter konkurriert mit seinem eigenen Schauspieler Gil. Benjamin Bochmann changiert gekonnt zwischen romantischem Filmcharakter und geschäftsorientiertem Schauspieler. Cecilia fragt Gil, ob er nicht Ken im zweiten Barbie-Film spielen möchte. Ein Theater-Kino-Erlebnis, das Kunst neu erzählt. 

Die Schauspieler*innen inszenieren gekonnt ihre multiplen Rollen: Von der Prostituierten im Puff über den sperrigen Nacho, den hibbeligen Cosmopolitan-Reporter bis hin zum gewaltvollen Ehemann brilliert Martin Habermeyer. Stephan Bach präsentiert hingegen die Geliebte Monks, Sheila, in Form einer Perücke, die auf seiner Hand thront und inszeniert so eine gesichtslose Affäre, während er im nächsten Moment als Kinobesitzer auftritt. Eine schauspielerische Glanzleistung, wie wir sie vom TiG-Ensemble gewohnt sind!  

„Das ist nämlich nicht wie im Film … Das ist das echte Leben“ 

Das Drehbuch von The Purple Rose of Cairo wurde für den Oscar nominiert. Es soll nicht unerwähnt bleiben, dass gegen den bekannten Filmemacher Woody Allen Missbrauchs-Vorwürfe erhoben wurden. Im Rahmen der #metoo-Debatte beschuldigte ihn seine Adoptivtochter Dylan Farrow und bereits in den 1990er Jahren gab es von Seiten der Hauptdarstellerin Mia Farrow Anschuldigungen, weitere ehemalige Schauspieler*innen und Mitarbeiter*innen haben sich von ihm distanziert.  

Cecilia flieht gerne vor der Realität in die Welt der Fantasie, ins Kino. Diese Leidenschaft konnten wir durch das Theater-Film-Stück umso mehr verstehen! Das TiG führt The Purple Rose of Cairo noch weitere Male auf: am 25.07., 26.07., 27.07., und 28.07. Weitere Details sind unter folgendem Link einzusehen: https://tig-bamberg.de/termine/.   

von Hannah Conrady und Miriam Mösl  

 v.l.n.r: Ursula Gumbsch, Felix Pielmeier, Benjamin Bochmann, Elena Weber

v.l.n.r.: Benjamin Bochmann, Stephan Bach, Martin Habermeyer.

© Werner Lorenz

©Beitragsbild: Klaus Barnickel

Ein Kommentar

  1. Diana Arina Geldner

    Wow…
    Zwei junge Frauen beschreiben mit ihre symbiose einen Fragezeichen.
    Was ist das? Casablanca , Gazlighting- Wort des Jahres 2018 in England, 100 Jahre Aufklärung, Aufdeckung und Aufarbeitung der Geschichte .
    Die Quintessenz dieses Rezension lässt darauf schließen das diese Generation jungen Menschen ihre Mission verstanden haben und eine neue Geschichte generieren werden.

    Liebe Grüße ihr zwei beide.

    Diana Geldner.

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