Robert Eggers – Nosferatu – Der Untote
Robert Eggers – Nosferatu – Der Untote

Robert Eggers – Nosferatu – Der Untote

Der Untote, den ich rief

CW: Body Horror, Erbrechen, Kindesermordung, Krampfanfälle, Nekrophilie, Tierverstümmelung, Verstümmelung allgemein, Andeutung von sexueller Belästigung/ Vergewaltigung

Am Freitagabend, den 03. Januar 2025, füllte sich der Kinosaal des Odeon Bamberg stetig mit Besucher*innen. Es war der 2. Vorstellungstag von Nosferatu – Der Untote in den deutschen Kinos, ein Remake des deutschen Klassikers aus dem Jahr 1922 von Friedrich Wilhelm Murnau, Nosferatu – Eine Symphonie des Grauens.

Die letzten zwanzig Jahre haben Vampire in der Popkultur fast vollständig romantisiert, mit Nosferatu – Der Untote kehrt Regisseur Robert Eggers (Der Leuchtturm) zurück zu den grauenerregenden Wurzeln des Mythos. Angesiedelt im Genre des Gothic Horror fährt Nosferatu eine ganze Palette an gänsehauterzeugenden Themen auf, die man nicht auf die leichte Schulter nehmen sollte. Dennoch findet man keine plumpen Jumpscares in diesem Film, sondern eine elegante, zutiefst beunruhigende Interpretation bekannter Horrorfilm-Elemente.

Die Handlung des Films selbst ist oberflächlich betrachtet simpel und vertraut, entpuppt sich bei näherem Blick allerdings als wesentlich vielschichtiger und öffnet die Möglichkeit zu verschiedenen Interpretationen. Es ist ein Film über eine junge Frau, die gegen ihre eigene Dunkelheit ankämpft, in einer Welt, in der niemand ihr wirklich zuhört. Genauso ist es eine Geschichte über eine vergiftende Präsenz, die sich allen Regeln der Vernunft entzieht. Nosferatu – Der Untote ist ein Abstieg in dunkle Begehren, finstere Rituale und einem auszehrenden Kampf gegen die Verzweiflung. 

Thomas Hutter (Nicholas Hoult) hat erst vor kurzem Ellen Hutter (Lily-Rose Depp) geheiratet, ihr junges Glück wird allerdings von einem Arbeitsauftrag auseinandergerissen. Thomas soll in die Karpaten reisen, um einem alten Grafen ein Anwesen in seiner Heimatstadt zu verkaufen. Ellen warnt ihn vor diesem Auftrag, schon als Kind sei sie anfällig für Vorahnungen gewesen, ein bisschen zu sensibel für die aufgeklärte Gesellschaft des 19. Jahrhunderts. In Thomas’ Abwesenheit kommt sie bei Freunden unter, doch mit wachsendem Abstand zu ihm verschlechtert sich Ellens Zustand stetig. Sie wird von Krampfanfällen geplagt, schlafwandelt und versucht vor bösen Omen zu warnen. Die örtlichen Doktoren sind überfordert mit Ellens Verhalten und erst ein Meister des Okkulten (Willem Dafoe) erkennt Ellens Anfälle als Zeichen einer Heimsuchung und gibt dem namenlosen Grauen, das Ellen kommen sieht, einen Namen: Der Vampir.

Thomas indessen erreicht das Schloss von Graf Orlok (Bill Skarsgård), der von den Dorfbewohnern gemieden wird, sich entschieden im Dunkeln versteckt und dennoch nach Grunwald ziehen will. Thomas ignoriert seinen Selbsterhaltungstrieb anlässlich Orloks merkwürdigen Verhaltens, bis eine offene Wunde das wirkliche Grauen hinter dem Grafen offenbart – sein Durst nach Blut. Ein Wettlauf gegen die Zeit beginnt, als sich der Graf und auch Thomas zurück nach Deutschland aufmachen, beide mit demselben Ziel: Ellen.

“Ein begabter Tourist”

Die Bildsprache des Films ist eine Mischung aus dunklem Märchen und Albtraum, eine Komposition aus den opulenten Kostümen um 1838 und der nahenden Dunkelheit Graf Orloks. Die Belichtung ist dabei wahrscheinlich die wichtigste Komponente im Film, oftmals sind die Szenenbilder düster, bedrückend lichtleer, entsättigt. Der Einsatz von Licht ist erstaunlich kalkuliert, Szenen mit Orloks Einfluss sind oftmals kalt, bläulich und grau. Szenen, die sich um Ellen und Thomas drehen, sind ein bisschen wärmer, etwas  gelblich und braun. Fackeln und Gaslampen können der Finsternis kaum etwas entgegensetzen, verstärken eher noch die Klaustrophobie der Isolation, die die Figuren erleben. Natürliche Lichtquellen wie Sonne und Mond hingegen offenbaren, was sich in den Schatten regt.

Wann immer Orlok seinen Einfluss in Film zeigt, wird die Kameraführung ganz unnatürlich geschmeidig, die Figuren bewegen sich ebenso unheimlich gleitend, als könnten sie sich dem Sog Graf Orloks nicht entziehen. Unterstrichen wird diese Unnatürlichkeit auch von der zunehmenden Manie der Figuren, die immer irrationaler handeln, je größer Orloks Einfluss wird. Das übernatürliche Grauen, das oftmals nur angedeutet wird, ist immer deutlich spürbar in der Atmosphäre und Reaktion der Figuren. Es ist ein Horror des Erlebens, die seelenerschütternde Furcht der Figuren ist der wahre Gruseleffekt des Films; nicht die übernatürlichen Vorkommnisse. Nosferatu – Der Untote ist ein kathartisches Erlebnis, gemacht für die große Leinwand.

Weitere Vorstellungen finden am 07.01. und 08.01. im ODEON statt, am 09.01., 10.01. und 11.01. im LICHTSPIEL. 

von Friederike Brückmann

Robert Eggers
Nosferatu – Der Untote
Deutsche Synchronisation
USA 2024
132 Minuten
FSK 16

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