Thea Hong – Seoulicious. Fake Me, Real You
Thea Hong – Seoulicious. Fake Me, Real You

Thea Hong – Seoulicious. Fake Me, Real You

On and Off Camera

CW: Ableismus, Alkohol, Bodyshaming, Blut, Colorism, Duschszenen, Einvernehmliche sexuelle Handlungen, Emotionale Manipulation, Erwähnen von Depression, Erwähnen von Mord, Erwähnen von Stalking (Sasaengs), Erwähnen von Suizid, Essen, Fluchen, Generational Trauma, Gewalt, Gewaltfantasien, Homofeindlichkeit, Klassismus, Misogynie, Mobbing, Nacktheit, Panikattacken, Rassismus, Sexismus, White Saviourism

Thea Hongs Debütroman Seoulicious. Fake Me, Real You liest sich an manchen Stellen wie ein K-Drama, das man an einem Stück binge-watchen möchte. An anderen Stellen greift es die rohe Hässlichkeit von Intoleranz, Vorurteilen und Fremdheitsgefühlen auf, die schonungslos durch die Augen der Protagonistin an die Leser*innen herangetragen wird. Worum es eigentlich geht? Suki und Yoona sind Zwillinge, in Hamburg aufgewachsen und doch sehr unterschiedlich: Yoona baut sich ein Leben auf TikTok als Influencerin auf, wohingegen Suki nicht weiß, wie sie sich selbst in Deutschland verwirklichen kann. Eine Reise zu ihren Großeltern nach Südkorea soll für Suki nach einer ausschlaggebenden Notbremse eine Möglichkeit bieten, raus aus dem toxischen Denken zu kommen, das Deutschland ihr als Asiatin antrainiert hat. Doch eine verzweifelte Bitte ihrer Schwester Yoona wirft sie ins Rampenlicht einer Kochshow, wo sie sich als ihre Zwillingsschwester ausgeben soll. Dort trifft sie auf den charmant direkten Jin, ein K-Pop-Idol, der sofort sehr vertraut mit ihr umgeht und auch recht offensichtlich mit ihr flirtet. Feindseligkeiten, Trugbilder und Showbusiness bleiben jedoch nicht fern. So verläuft Sukis Suche nach sich selbst um einiges ereignisreicher als vorher geplant.

„Das Gefühl, nirgends dazuzugehören, ist an manchen Tagen stärker, an manchen schwächer – aber heute merke ich, dass meine persönliche, mentale Schutzschicht, hinter der ich mich gerne verstecke, dahinschmilzt, wie Zuckerwatte in Wasser.“

Als BiPoC in Deutschland aufzuwachsen, bedeutete für Suki seit jeher nicht deutsch genug zu sein, aber auch nicht in asiatische Stereotype hineinzupassen. Ihr Leben war bis dato ein Drahtseilakt zwischen rassistischen Vorurteilen, bei denen sie nie gewinnen konnte, die nie zu ihrem Vorteil funktioniert haben. Sukis Unwille mit der an sie gerichteten Erwartung konform zu gehen, hat zu einer entfremdeten Beziehung zu ihrer Mutter geführt. Ihr bleibt nur ihre kleine Küche als Zufluchtsort. Yoonas Traum vom TikTok-Star fußt vor allem auf dem Präsentieren ihrer koreanischen Kultur als Ware. Ein Aspekt, der zu Diskussionen zwischen den Zwillingsschwestern führt und einen selbstreflexiven Moment für die Figuren, jedoch auch für die Leser*innen bietet. Yoona nutzt zudem die Sprach- und Singqualitäten ihrer Schwester für ihre eigenen TikTok-Videos ohne Sukis Wissen.

„Sei wie Bambus, weich und biegsam. Anpassungsfähig und leise. Nein. Ich präferiere, so zu sein wie deutscher Asphalt. Hart und kaputt.“

Sukis familiäre Beziehungen sind belastet von der Resignation ihrer Mutter und Yoonas bewusstes, kommerzialisiertes Hineinspielen in Vorurteile. Yoonas Naivität steht im starken Kontrast zu Sukis allgemeinem Misstrauen, gerade wenn es um ihre Selbstdarstellung geht.

Die Art und Weise, wie Sukis Stimme Fehler und Missstände erkennt und auch benennt macht sie zu einer starken Own-Voice-Erzählerin. Und natürlich gibt es da noch Jin. Jin flirtet so nonchalant mit Suki, dass man am Anfang genauso wie die Protagonistin nicht mitkommt. Es folgen romantische Szenen mit leicht cringen Zügen, die wiederum den K-Drama-Stil anfeuern und dabei zu amüsanten Situationen beitragen. Jins Perspektive wäre hierbei an manchen Stellen hilfreich gewesen, weil das Verlieben doch sehr schnell ging. Für ihn gibt es allerdings auch schon eine längere Vorgeschichte mit Yoona/Suki, die durch die Annäherung der beiden zu einem weiteren Problem beiträgt.

Trotz umfassenden Endes und ausführlichen Blicks in die Zukunft könnte der Roman gerne doppelt so lang sein – mit verschiedenen Perspektiven und einer eigenen Shortstory für Yoona und ihr Love-Interest. Die Seiten und Kapitel-Tracks fliegen nur so dahin. Die K-Drama-Vibes machen Seoulicious zu einem wahren Lesevergnügen, wobei Sukis Direktheit und die Konfrontation mit ernsten Themen ebenfalls nicht zu kurz kommen.

von Paula Heidenfelder und Friederike Brückmann

Thea Hong
Seoulicious – Fake Me, Real You
Novel Arc 2025
16,50 Euro
ISBN 978-3-98942-666-5

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