Jonas Theresia – Toyboy
Jonas Theresia – Toyboy

Jonas Theresia – Toyboy

„Muss ich wirklich begehrt werden, um glücklich zu sein?“

In Jonas Theresias Debütroman Toyboy versucht Levin, der ältere Bruder, über den immer tieferen Graben zu seinem Bruder Gregor, der während des Erwachsenwerdens entstanden ist, eine Brücke zu bauen, damit beide wieder zu einer geschwisterlichen Nähe finden.

Levin ging für einige Zeit nach Los Angeles, um als Model zu arbeiten, kehrt aber nun nach Deutschland und zu seinem Bruder zurück. Gregor steht kurz vor dem Abitur, isoliert sich, seine Welt spielt sich in Computerspielen ab. Levin ist konfrontiert mit der Ablehnung Gregors und auch sonst erwarten ihn in der Heimat nicht die offenen Arme, mit denen er gerne empfangen worden wäre. Eine Annäherung an Exfreundin Cook gelingt nicht richtig und beruflich ist er darauf angewiesen, dass sein bester Freund Momo ihn an eine Escort-Agentur vermittelt.

Im Kontext der verschiedensten Formen von Sexarbeit und seinem Leben als Model tariert Theresia die Reduzierung, Objektifizierung und Verurteilung von „glatter Schönheit“ als eindimensional aus. Diese Einblicke in die politics of desirability geben Toyboy eine erweiterte Ebene, abseits der Dynamiken zwischen Brüdern, besten Freunden und ehemaliger Beziehungsperson.

„[…] ich bin grauenvoll im Scherbenaufsammeln.“

Freundschaft ist nicht das auf den ersten Blick dominierende Sujet des Romans und bleibt dennoch besonders eindrücklich in Erinnerung. In der Beziehung zu Momo wird veranschaulicht, wie auch eine langjährige Freundschaft selbstverschuldet gefährdet werden kann. Dass auch der Umstand, dass es einem*r schlecht geht, keine Entschuldigung oder einen Freifahrtschein für sämtliches Verhalten bedeutet.

Darüber hinaus versteht es der Autor, die Resistenz gegen das Geläutertwerden auszureizen, bis Levin zu guter Letzt endlich zu einer selbstbestimmten Aktivität gelangt. Eine weitere Auszeichnung: Theresia scheut nicht vor unlikeable characters, bzw. deren dysfunktionalem Umgang mit sich selbst und einander. Das mag in Teilen beim Lesen frustrieren, aber zeigt immer wieder das Können des Autors realistische Charaktere abzubilden.

„Den Selbstgeißelungsdrang teile ich ohne Zweifel mit meinem Bruder. So wie ich mich martere, indem ich meinen Körper in die Welt hinausschleudere und verbrauche, liefert er sich der Einsamkeit aus, die schrittweise seine Nerven zu zersetzen droht.“

Theresia erzählt vom Scheitern der beiden Brüder und lässt sie in diesem Verlieren zueinander finden. Die nuancierte Entwicklung aufeinander zu verläuft nicht geradlinig und erleidet immer wieder Rückschläge, beweist aber genau dadurch ihre Authentizität. Lediglich der gegen Ende an Fahrt aufnehmende Plot und der dramatische Schluss wirken in der Umgebung der introspektiven Stimmung der literarischen Auseinandersetzung mit den verschiedenen Motiven etwas wie eine Abenteuererzählung.

Der Ton sowie das Gespür Theresias anhand des Protagonisten Levin, den Typ des jungen Erwachsenen in seinen 20ern in der Großstadt auf der Suche nach Halt und sich selbst, gebeutelt von psychischen und zwischenmenschlichen Widrigkeiten, sind die Stärken des Romans und erklären auch die Vergleiche mit Anton Weils Super einsam.

Toyboy ist ein atmosphärisches Debüt, das gespannt in die schriftstellerische Zukunft Jonas Theresias blicken lässt.

von Michaela Minder

Jonas Theresia
Toyboy
Kein & Aber 2025
224 Seiten
23,00 Euro
ISBN: 978-3-0369-5056-5

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