ETA Hoffmann Theater – Peer Gynt
ETA Hoffmann Theater – Peer Gynt

ETA Hoffmann Theater – Peer Gynt

Ein Luftikus auf der Suche nach sich selbst


CW: Bildliche Darstellung von Blut, Fäkalien, Geschlechtsteilen, Mord, Sexualpraktiken, Suizid, Trauer, Tod

Peer Gynt – nicht zuletzt dank Edvard Griegs musikalischer Vertonung ist dieses Stück von Henrik Ibsen seit knapp 150 Jahren auf den Bühnen dieser Welt zu finden. Basierend auf einer norwegischen Sagengestalt, machte Ibsen Peer Gynt zum Helden seines gleichnamigen Gedichts und späteren Dramas, das dem sich in Fantasiewelten und Lügengeschichten verstrickenden Helden auch die Bezeichnung „Faust des Nordens“ einbrachte. Am 30. April 2025 feierte die Inszenierung, die die letzte von Intendantin Sibylle Broll-Pape am Haus sein wird, im E.T.A. Hoffmann Theater Premiere.

Peer Gynt (Marek Egert) wächst in ärmlichen Verhältnissen ohne Vater auf, und flüchtet sich daher schon früh in abenteuerliche Geschichten und Fantasiewelten. In seinem Heimatort ist er mittlerweile als Luftikus bekannt, als Angeber und Prahlhans, der nicht ernst genommen wird. Seine Mutter Aase (Barbara Wurster) weiß nicht mehr weiter, und doch liebt sie ihren Sohn und verteidigt ihn gegen allerlei Gespött. Peer, der sich zu Größerem bestimmt fühlt, begibt sich schließlich auf eine Odyssee, um sich selbst zu verwirklichen, und vor allem: sich selbst zu finden. Die Reise führt ihn an die verschiedensten Orte, sei es nach Marokko, auf hohe See oder sogar ins Reich der Trolle, wo er die unterschiedlichsten Bekanntschaften macht.

„Es ist ein Trost, wenn man bedenkt, es gibt ein Schicksal, das uns lenkt.“


Hauptdarsteller Marek Egert führt als Peer Gynt durch das Stück, an seiner Seite seine Kolleg*innen Barbara Wurster, Alina Rank, Stephan Ullrich und Florian Walter. Jene vier schlüpfen immer wieder in andere Rollen und teilen sich so die Darstellung der beachtlichen Anzahl von knapp vierzig verschiedenen Nebencharaktere. Musikalisch begleitet wird das Ensemble von Bettina Ostermeier, die nicht nur Klavier, Oboe und Saxofon spielt, sondern insgesamt siebzehn verschiedene ‚Instrumente‘ nutzt, um durch diese Geräuschkulissen ein entsprechendes Ambiente um Bühnenbild und Schauspielende zu schaffen.
Eine Leinwand hinter der Bühne ergänzt mit verschiedenen Bildern die jeweiligen Stimmungen der Szenen, seien es einfarbige Flächen oder Aquarelle, die die Landschaften andeuten. Die aquarellartige Färbung sowie die genutzten Farben finden sich auch in den Kostümen der Darstellenden wieder, sodass deren Hosenbeine oder Hemdärmel dunkelgraue, orangefarbene, grüne, gelbe oder violette Flecken zieren. Um auf die norwegische und bäuerliche Umgebung in Peers Heimat hinzuweisen, sind einige Kostüme mit skandinavisch anmutenden Musterungen bemalt oder bedruckt, und immer wieder finden sich Kleidungsstücke aus Klöppelspitze.

Als extremer Gegenentwurf dazu werden die Trolle als nicht-menschliche Wesen dargestellt: Mit durch Nylonstoff verfremdeten Gesichtern, übergroßen sichtbaren Geschlechtsteilen, bunten Haaren sowie obszönem und unflätigem Verhalten schaffen sie es, nicht nur Peer Gynt zu verstören. Die sehr drastischen Inhalte der Szene mit Fäkalien und sexualisierten Handlungen riefen im Publikum teils laute Belustigung, teils Verstörung hervor.

„Die Vernunft ist tot. Es lebe Peer Gynt!“

Die Fülle an Nebencharakteren, die von den Schauspielenden neben Marek Egert übernommen wird, zeugt von der Wandelbarkeit und dem vielfachen Können dieser, und ist lobend hervorzuheben. Egert selbst hat durch die Sprunghaftigkeit Peers eine ebenso große Bandbreite an Charakteristika vorzuweisen, was ihm in den knapp zweieinhalb Stunden Bühnenzeit auch hervorragend gelingt.
Broll-Papes Inszenierung ist eine gute Möglichkeit, einen ersten oder auch erneuten Blick auf diesen Klassiker der Weltliteratur zu werfen. Durch die Szene bei den Trollen sorgte Broll-Pape bei manchen Zuschauenden für einen Schockmoment, was dem Stück in seiner kunstvollen und durchdachten Umsetzung aber keinen Abbruch tut.

Weitere Aufführungen finden am 02.05, 08.05., 10.05., 14.05., 16.05., 17.05., 03.06., 06.06., 07.06. und 14.06. um jeweils 19:30 Uhr statt.

von Nike Kutzner

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