Maud Ventura – Mein Mann
Maud Ventura – Mein Mann

Maud Ventura – Mein Mann

Liebe oder Wahnsinn?


CW: Physische und psychische Gewalt

Wie weit darf Liebe gehen, bevor sie in Besessenheit umschlägt? In Mein Mann seziert Maud Ventura die Abgründe einer Ehe, in der Zuneigung und Kontrolle untrennbar miteinander verwoben sind. Der Roman bewegt sich zwischen psychologischer Studie und subtiler Thriller-Spannung – bleibt jedoch in seiner Wirkung ambivalent: faszinierend in Konzept und Ton, aber nicht frei von erzählerischen Längen.
Die namenlose Protagonistin liebt ihren Mann nicht nur – sie analysiert ihn, testet ihn und bestraft ihn, wenn er ihren unausgesprochenen Erwartungen nicht erfüllt. Doch was zunächst wie leidenschaftliche Hingabe erscheint, entpuppt sich schnell als besessener Perfektionismus. Sie betrachtet ihre Ehe als ein System, das es zu optimieren gilt und das keine Fehler erlaubt. Ihr Mann hat sich nach ihren Regeln zu verhalten, auch wenn er nichts von ihnen weiß.

„In einer Ehe muss man Kompromisse schließen können. Aber warum soll ausgerechnet ich mich anpassen?“

Als Leser*in schwankt man zwischen Faszination und Abscheu. Die Protagonistin wirkt gleichermaßen getrieben wie eiskalt kalkulierend. Sie steht unter dem Druck die gesellschaftlichen Erwartungen einer perfekten (Ehe-)Frau zu erfüllen, setzt sich aber zugleich über diese hinweg: „Meine Komplexe lassen sich nicht von meinem Gesicht ablesen. Wie ich mich selbst sehe, entspricht nicht dem, was die anderen in mir sehen“. Diese Kluft zwischen Selbstwahrnehmung und Außenbild zieht sich wie ein roter Faden durch den Roman und macht die Hauptfigur zu einer gleichermaßen verstörenden wie tragischen Gestalt.
Während ihr Mann nichts von den Prüfungen ahnt, denen sie ihn aussetzt, wächst ihre Frustration, wenn er nicht nach ihren unausgesprochenen Erwartungen handelt. Sie empfindet sich als die treibende Kraft in der Ehe – als diejenige, die investiert, während ihr Mann bloß existiert. Auch ihre Mutterrolle ist von Ambivalenz geprägt. Sie liebt ihre Kinder – doch das bedeutet nicht, dass sie sich je für ein Leben mit ihnen entschieden hätte. Sie ist eine Frau, die von gesellschaftlichen Erwartungen erstickt wird und dennoch den Anspruch erhebt, über allem zu stehen.

Eine eskalierende Spannung – mit Längen

Ventura versteht es, eine beklemmende Atmosphäre zu schaffen. Was zunächst wie ein intimer Blick in eine ungewöhnlich intensive Ehe erscheint, entwickelt sich nach und nach zu einem dunklen Psychospiel einer Frau am Rande des Wahnsinns. Mal schwärmt sie von ihrem Mann, mal verachtet sie ihn – und in manchen Momenten schlägt ihre Liebe sogar ins Gewaltvolle um: „Hat mein Mann es verdient zu leben? Ich kann mir problemlos vorstellen, wie er bewusstlos auf dem Boden liegt, der Schädel zertrümmert […]“.
Doch die Erzählstruktur ist repetitiv, die Gedankenschleifen der Protagonistin ermüdend. Die Handlung schreitet nur langsam voran, der entscheidende Wendepunkt kommt spät. Eine frühere Enthüllung hätte der Geschichte mehr Dynamik verliehen und den Lesefluss verbessert.
Venturas Debüt ist dennoch bemerkenswert: Die psychologische Tiefe und der beklemmende Stil sind beeindruckend. Wer sich für obsessive Charakterstudien interessiert und Geduld für einen langsam eskalierenden Spannungsaufbau mitbringt, wird hier fündig. Trotz einiger Wiederholungen bleibt der Roman fesselnd – auch, weil er zum Nachdenken anregt: Wie gerecht ist unser eigenes Beziehungsideal. Und was braucht es wirklich, um geliebt zu werden?

von Theresa Mader

Maud Ventura
Mein Mann
Aus dem Französischen von Michaela Meßner
Hoffmann und Campe Verlag 2024
272 Seiten
13,00 Euro
ISBN 978-3-442-77425-8

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert