Zara Zerbe – Phytopia Plus
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Wenn die Pflanzen nicht mehr einfach nur da sind

Hamburg in nicht allzu ferner Zukunft: Aylin, die Protagonistin des Romans, lebt in einer Welt, die durch die Klimakriese an ihr Limit gebracht wurde. Dürreperioden, Artensterben und das Fehlen von frischen und bezahlbaren Lebensmitteln sind zum Alltag geworden – zumindest für Aylin und die Menschen in ihrem Stadtteil. Für die bessergestellten Bewohner Hamburgs stellen sich dagegen ganz andere Fragen: Was kann die Technologie für mich tun und wie kann ich meiner sinkenden Lebenserwartung entgegenwirken? Die Lösung liegt im Speichern der eigenen Erinnerungen, und zwar auf extra dafür gezüchteten Pflanzen.

Genau das, ist die Aufgabe der Protagonistin. Aylin kümmert sich als Gärtnerin um diese besonderen Pflanzen in der Drosera AG. Neben ihrem Job ist sie auch – illegalerweise – begnadete Hobbygärtnerin, was sie mit ihrem Opa verbindet. Um ihn auch nach seinem Tod noch länger bei sich zu haben, wünscht sie sich für ihn, dass auch seine Gedanken auf eine Pflanze übertragen werden. Doch die Finanzierung stellt sich für sie als sehr schwierig heraus. Aus diesem Grund fängt Aylin an, Pflanzen zu verkaufen und sabotiert so halbwegs unfreiwillig die Drosera AG.

„Im Supermarkt gab es heute wieder nur Proteinflocken und Kokosfettriegel mit Zink und Vitamin C, und auf dem Heimweg musste sie schwitzen, obwohl sie nur in einer Übergangsjacke unterwegs war.“

Zerbes Roman lässt einen in das Gedankenexperiment der völligen Klimakatastrophe eintauchen, in der auch Politiker*innen keine große Rolle mehr spielen. Ganz unaufgeregt beschreibt die Autorin das Leben einer 20-Jährigen, die versucht ihren Alltag in einer zusammenbrechenden Welt zu bewerkstelligen. Dabei steht die Spannung oder ein ganz besonders mitreißender Plot nicht im Vordergrund, sondern das Einfühlen in und Miterleben dieser Realität. Nicht nur die ökologischen Auswirkungen der Klimakrise, sondern auch die sozialen Folgen werden eindrücklich geschildert und machen für die Leser*innen nochmal mehr deutlich, wie wichtig es ist, auf sich und seine Umwelt zu achten.

Klug fügt Zerbe kurze Kapitel in die Geschichte ein, in denen die Pflanzen selbst zu Wort kommen dürfen. Kleine Dialoge zeigen, dass auch sie ihr eigenes Leben haben und mehr sind als nur einfache Speicherorte. Dadurch wird das Erzähltempo noch weiter gedrosselt, sodass die Geschichte in Teilen etwas langwierig wird, was jedoch den angenehm zu lesende Schreibstil der Autorin nicht stört.

Obwohl der Roman auch als Warnung vor einer unachtsamen Lebensweise gelesen werden kann und immer ein wenig Gesellschaftskritik mitschwingt, gelingt es Zerbe, den Appell sehr subtil in die Realität der Protagonistin einzubauen. Somit schafft sie es in kurzer Zeit, eine spannende Welt zu erschaffen und eine angenehme Leseerfahrung zu ermöglichen.

Von Jule Dumke

Zara Zerbe
Phytopia Plus
Verbrecher Verlag 2024
25,00 Euro
272 Seiten
ISBN 9783957325815

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