Aliette de Laleu – Komponistinnen. Frauen, Töne & Meisterwerke
Aliette de Laleu – Komponistinnen. Frauen, Töne & Meisterwerke

Aliette de Laleu – Komponistinnen. Frauen, Töne & Meisterwerke

Komponistinnen im Schatten der Geschichte


CW: Sexismus, Tod, Vergewaltigung (erwähnt)

Aliette de Laleus Komponistinnen. Frauen, Töne & Meisterwerke ist ein notwendiges Buch. Denn es rückt das ins Rampenlicht, was Jahrhunderte lang versteckt und verschwiegen wurde.

Es geht um Komponistinnen. Frauen, die lernten, schufen, musizierten, lehrten – und die systematisch aus der Musikgeschichte ausradiert wurden. Von der Antike bis zur Gegenwart, von Sappho über Hélène de Montgeroult bis Ethel Smyth zieht sich die Tonspur, die zum Verstummen gebracht wurde. Damit ist jetzt Schluss. De Laleu erzählt nicht nur die Geschichten dieser beeindruckenden Frauen nach, sondern lässt ihre Musik durch die Playlists am Ende jedes Kapitels selbst zum Klingen bringen.

„Mozart war eben auch eine Frau. Genauso wie Schumann, Mendelssohn, Mahler oder Bach“

Woran liegt es also, dass die Frauen verschwanden? De Laleu zeigt, dass dahinter ein misogynes System steht, indem sie von den Hindernissen berichtet, die den Musikerinnen in den Weg gelegt wurden und z.T. immer noch werden. Auf der individuellen Ebene waren oftmals Männer das Problem. Väter verhinderten den Unterricht, Brüder stahlen ihre Werke und Ehemänner legten mehr Wert auf die „ehelichen Pflichten” als das musikalische Potenzial ihrer Ehefrauen. Doch selbst wenn die Männer im engeren Umfeld keine misogynen Arschlöcher waren, sondern die Frauen durchaus fördern wollten, folgten auf der institutionellen Ebene die nächsten Probleme. Frauen wurden gar nicht oder nur zu bestimmten Klassen im Konservatorium zugelassen, Auftritte wurden generell verboten, Instrumente wie das Violoncello oder die Trompete waren tabu, weil vermeintlich viel zu anstößig. Schließlich hält frau sie zwischen den Beinen oder am Mund! Und welches Orchester möchte sich schon von einer Frau dirigieren lassen? Richtig, gar keines.

„Vergesst nicht, es genügt eine politische, ökonomische oder religiöse Krise – und schon werden die Rechte der Frauen wieder infrage gestellt. Diese Rechte sind niemals gesichert.“ (Simone de Beauvoir, zitiert nach De Laleu)

Und trotz allem gibt sie es: die Komponistinnen, die sich widersetzt, die sich durchgesetzt und Großes geleistet haben, wie die bereits genannte Hélène de Montgeroult, die mit ihrer Klavierschule Cours complet pour l’enseignement du forté piano „Generationen von Komponisten inspirierte, darunter so große Namen wie Robert Schumann, Felix Mendelssohn oder Frédéric Chopin.“ Obwohl die Pianistin, Komponistin und Lehrerin am Konservatorium (für eine Männerklasse!) eines der bedeutendsten Lehrbücher für Klavier verfasst hat, wurde ihr Name verschwiegen, beinahe getilgt. Sie musste erst in letzter Vergangenheit wiederentdeckt werden. Damit ist Montgeroult kein Einzelfall, sondern das Symptom einer misogynen, von weißen Männern geprägten (Musik)Welt und Geschichtsschreibung. De Laleus Buch leistet einen wichtigen Beitrag dazu, die Erzählung neu aufzurollen und die Lücken zu füllen, die noch immer eklatant in der weiblichen Geschichtsschreibung klaffen.

Die Musikalität der Sprache

Wer über Musik schreibt, sollte selbst zum*r Musiker*in werden, zum*r Komponist*in des eigenen Textes. Sprache, die Musik gerecht werden soll, muss klingen, rhythmisch sein, wohl intoniert. Doch die Sprache in Komponistinnen. Frauen, Töne & Meisterwerke ist davon weit entfernt. Sie bleibt zumindest in der deutschen Übersetzung hölzern und holprig, in weiten Teilen ohne eigenen Klang. Umso wohltuender sind die Playlists, die geschickt am Ende eines jeden Kapitels platziert sind. So stören sie den Lesefluss nicht, sondern bieten die Musikalität, die der Text leider nicht zu erreichen vermag.  

von Lavinia Richter

Aliette de Laleu
Komponistinnen. Frauen, Töne & Meisterwerke
Aus dem Französischen übersetzt von Petra Willim
Reclam 2024
173 Seiten
24,00 Euro
ISBN 978-3-15-011470-4

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