ETA Hoffmann Theater – Der große Gatsby 
ETA Hoffmann Theater – Der große Gatsby 

ETA Hoffmann Theater – Der große Gatsby 

Dreams for sale 

100 Jahre und längst kein verstaubter Stoff – Der große Gatsby von F. Scott Fitzgerald feiert 2025 nicht nur seinen runden Geburtstag, sondern auch seine Premiere bei den Calderón-Spielen. Zur Fassung von Janis Knorr lud das ETA Hoffmann Theater Bamberg am 26. Juni in die Alte Hofhaltung ein und versorgte seine Gäste mit ordentlich Glanz und Gloria. 

„Cult classic but […] still pop“ 

Der Erzähler Nick Carraway (Pit Prager) führt durch seine Erinnerungen hindurch in die Goldenen Zwanziger, in denen er sein Leben neben dem sagenumwobenen Jay Gatsby (Jeremias Beckford) rekapituliert. So rätselhaft wie sein Verhalten ist auch Gatsbys Vergangenheit: Ein Oxford-Mann, ein Schmuggler oder gar ein Mörder? Viele Gerüchte kommen auf den prunkvollen Partys des reichen Gastgebers zustande, zu denen Nick als einziger eine Einladung erhält. Und das nicht ohne Grund, denn Nick ist der Cousin von Daisy Buchanan (Antonia Bockelmann) – Gatsbys Jugendliebe, die er nie vergessen konnte. Diese scheint für ihn schier unerreichbar, so ist sie doch längst mit dem Polospieler Tom Buchanan (Marek Egert), der in der Neufassung eine Affäre mit George Wilson (Eric Wehlan) eingeht, verheiratet und Mutter einer kleinen Tochter. Doch Gatsby gibt nicht auf und nutzt Nick und die Golfspielerin Jordan Baker (Jeanne Le Moign) als Vermittler*innen zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Was als rauschender Partysommer beginnt, entwickelt sich zu einem Cocktail aus Affären, Eifersucht und Niedergängen.  

Der Roman von F. Scott Fitzgerald gilt als eines der wichtigsten Werke der Weltliteratur und wurde vielfach adaptiert. In dieser Neuinszenierung des 100 Jahre alten Stoffs finden sich jedoch nicht nur Klassikliebhaber*innen zurecht, es kommen auch Popenthusiast*innen voll auf ihre Kosten. Mit Musik (Thorsten Drücker) der Ikonen des aktuellen Mainstreams wie Charli XCX, Kendrick Lamar, Billie Eilish und Lola Young gelingt ein Crossover zwischen Brat Summer und Roaring Twenties. Was auf den ersten Blick überraschend wirkt, ist auf den zweiten Blick gleich doppelt gekonnt: Einerseits fängt es auf diese Weise den damaligen Bruch mit Traditionen und das moderne Denken ein, andererseits überträgt es das Stück auch in unsere eigenen Zwanziger. Dabei wird schnell klar, dass, wenn wir auf jüngste gesellschaftliche, politische und soziale Entwicklungen blicken, Gatsbys Geschichte ein Jahrhundert nach seinem Erscheinen aktueller denn je ist. Unter der Regie von Janis Knorr bekommt das Werk nicht nur musikalisch einen neuen Anstrich: In Schwarzweiß, Gold und Silber funkeln die Schausteller*innen in einer Mischung aus Stummfilmästhetik und Futurismus. Die Kostüme (Ariella Karatolou) leisten ihr Übriges und bringen erneut die Balance zwischen klassisch und poppig. Highlights sind hierbei sicherlich die überdimensional großen Köpfe mit Bubikopf-Frisur und exzentrischem Make-up, die die Schauspieler*innen stellenweise ihr Gesicht verlieren und in weitere Rollen schlüpfen lassen. In diesen Szenen kommt die schauspielerische Leistung des Ensembles besonders zur Geltung, denn selbst ohne sichtbare Mimik entsteht ein ausdrucksstarkes Spiel. Darüber hinaus runden diverse Gesangs- und Rapeinlagen die vielseitige Performance gelungen ab. Zusätzlich werden die Erlebnisse der Figuren durch Zelda Fitzgerald (Iris Hochberger), deren Stimme in dieser Fassung ebenfalls endlich mehr Raum bekommt, kommentiert und umrahmt. 

Unverzichtbar für die Atmosphäre des Stücks ist das schillernde Bühnenbild (Ariella Karatolou), das das Publikum mitten in den Rausch der Handlung hineinzieht. Die Aufteilung in vier Räume, verbunden durch Treppen, erlaubt den Zuschauer*innen tiefe Einblicke in mehrere Situationen gleichzeitig. So wird die ein oder andere ernste Szene durch humorvolles Nebengeschehen aufgelockert, was am Premierenabend für viel Unterhaltung und Gelächter auf der vollbesetzten Tribüne sorgte. Ein Staunen entlockte wiederum die Veränderung des Bühnenbilds in der zweiten Hälfte der Aufführung, als sich die Kulisse der einstürzenden Illusion des amerikanischen Traums anpasste. 

„Ich mag große Partys, sie sind so intim.“ 

Das Stück entfaltet in 2 Stunden und 20 Minuten temporeich und kurzweilig einen Vollrausch der Gefühle, allerdings hätten einzelne Handlungsstränge zum Ende hin gerne noch etwas länger auserzählt werden können. Denn die Inszenierung spart den ein oder anderen Aspekt von Fitzgeralds Romanvorlage aus oder verändert ihn, weswegen speziell die Zuschauer*innen, die mit dem Plot weniger vertraut sind, etwas ratlos zurückgelassen werden könnten. Vor allem für Liebhaber*innen des Stoffes fühlt sich die frische Neuinterpretation des ETA Hoffmann Theaters aber wie eine Party im Hause Gatsby an, die noch lange nicht zu Ende gehen soll – und die man auf keinen Fall verpassen möchte. 

Weitere Termine am 01., 02., 03., 04., 05., 08., 09., 10., 15., 16., 17. und 18.07. in der Alten Hofhaltung. Es sind die letzten Aufführungen unter der Intendanz von Sibylle Broll-Pape.

Celine Buschbeck und Alicia Fuchs

Fotos © Martin Kaufhold

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