Stephen King – Kein Zurück
Stephen King – Kein Zurück

Stephen King – Kein Zurück

Eine Geschichte der Sucht

CW: Abtreibung, Alkoholsucht, Catcalling, Gewalt, Homophobie, Kindesmisshandlung, Mord, Pädophilie, Persönlichkeitsspaltung, religiöser Fanatismus, Selbstverletzung

In Stephen Kings neuem Roman Kein Zurück gibt es für Leser*innen ein Wiedersehen mit Holly Gibney, der Privatermittlerin, welche unter anderem aus dem gleichnamigen Vorgängerroman von King bekannt ist.

„Wenn Sie jemanden wie Sherlock Holmes brauchen, sollten Sie lieber Holly Gibney anrufen. Ich gebe Ihnen gern ihre Nummer.“

Ein Brief erreicht die Polizei von Buckeye City, in dem ein gewisser Bill Wilson ankündigt, 13 Unschuldige und einen Schuldigen zu töten, da diese für den Tod eines Unschuldigen büßen müssen. Bei letzterem handelt es sich um Alan Duffrey, der im Gefängnis gelandet und dort erstochen worden war. Durch ihre Freundin Detective Isabel Jaynes bekommt auch Holly Wind von der Sache. Eine willkommene Abwechslung zu ihrer langweiligen Jagd nach gestohlenem Schmuck. Die Spur führt sie zu den Anonymen Alkoholikern. Und es dauert nicht lange, bis die erste, völlig zufällig ausgewählte Leiche auftaucht.

Doch dies ist nur einer von mehreren Handlungssträngen. Während Holly zusammen mit Isabel versucht, die wahre Identität von „Bill Wilson“ herauszufinden, wird sie Bodyguard der Feministin Kate McKay und ihrer Assistentin, die von einer fanatischen Glaubensgemeinschaft, welche strikt gegen Abtreibung ist, verfolgt und bedroht wird. Gleichzeitig lässt King die Lesenden den Mörder der 13 Unschuldigen und die Boten der religiösen Fanatiker*innen mitverfolgen. Bis hin zum Showdown, der alle Stränge auf dramatische Art und Weise zusammenführt. Alles steht unter dem Zeichen einer bestimmten Sucht: Alkohol, Mord, Überzeugung, Leidenschaft.

„Wenn er fertig ist, wird die Welt wissen, dass andere Unschuldige sterben müssen, wenn ein Unschuldiger stirbt. Es ist die einzige vollkommene Form von Sühne.“

Durch diese verschiedenen Handlungsstränge, die jeweils noch zusätzlich unterteilt sind und sich kontinuierlich abwechseln, wird die Handlung sehr komplex, doch King behält auf beeindruckende Weise den Überblick. Auch gezielte Vorausdeutungen und der Einsatz des unzuverlässigen Erzählens beweist, dass man es hier mit einer äußerst sorgfältig durchdachten und geplanten Geschichte zu tun hat, deren Fokus klar auf dem Wie und nicht auf dem Was oder Wer liegt und einige Plottwists bereithält. Hochaktuelle Themen wie Feminismus und Abtreibungsrecht und deren Gegenstimmen werden ernst thematisiert und in die Handlung eingebunden. Auch reale Personen werden genannt, wie beispielsweise David Gunn, ein Arzt für Geburtshilfe und Gynäkologie, der 1993 von einem Abtreibungsgegner erschossen wurde. Eine Liste an ermordeten Personen, die sich für das Entscheidungsrecht von Frauen eingesetzt haben, führt King in seiner Danksagung auf und positioniert sich damit in diesem Roman deutlich für das Abtreibungsrecht.

Die Charaktere sind sehr scharf und nahbar gezeichnet, besonders Holly, die nicht als die niemals scheiternde Detektivin dargestellt wird, sondern als eine, die Fehler macht und Selbstzweifel hat. Frauen spielen insgesamt die Hauptrolle, wobei beachtet werden muss, dass die Feministin Kate McKay stark klischeehaft als die, die immer den Ton angibt, gezeichnet wird. Dies wird jedoch einigermaßen nachvollziehbar, wenn sie in einer entscheidenden Szene als durchsetzungsstark und mutig beschrieben wird. Summa summarum ist King eine beindruckend ausgearbeitete und äußerst spannende Geschichte mit heftigen Überraschungen und scharfer Kritik gelungen, die jedoch bei der Charakterzeichnung der Feministin etwas zu stark auf Klischees zurückgreift.

von Hannah Orth

Stephen King
Kein Zurück
Aus dem Amerikanischen von Bernhard Kleinschmidt
Heyne Verlag 2025
640 Seiten
28,00 Euro
ISBN 978-3-453-27434-1

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert