Hier bitte einen kreativen Titel einfügen.
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CW: Angststörung, Burnout, Depression, Drogen, Missbrauch von Medikamenten, Sexismus, Tod
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Genau solche Aufgaben füllen Marisas Arbeitsalltag in einer Werbeagentur in Madrid. Sie ist die Protagonistin des Debütromans von Beatriz Serrano. Geht so lässt die Lesenden durch Marisa hinter die Masken der Kreativbranche blicken. Voller Sarkasmus und Selbstironie wird eine eigentlich doch sehr ernste Geschichte über mentale Probleme durch berufliche Herausforderungen erzählt. In einem Interview mit dem Eichborn-Verlag verriet die Autorin, dass sie ihren Humor als trojanisches Pferd benutzt, um über die harte Realität zu schreiben. Die gut platzierten Witze entfalten auch in der deutschen Übersetzung von Christiane Quandt ihre Wirkung. Sie laden zum schallenden Lachen ein, das manchmal doch im Hals stecken bleibt.
Der Roman gliedert sich in drei Teile, welche durch das Layout deutlich voneinander getrennt werden und einen unterschiedlichen Umfang haben. Die ersten hundert Seiten bieten ausführliche Einblicke in das Leben von Marisa und man lernt die Protagonistin auf vielseitige und sehr persönliche Weise kennen. Man erfährt allerlei Dinge, die die meisten Menschen gern verbergen: peinliche Angewohnheiten, ungewöhnliche Vorlieben und heimlich geöffnete Tabs während der Arbeit.
„Seit acht Jahren tue ich dasselbe und weiß, dass es zu nichts nütze ist. Ich weiß, dass die Welt ein besserer Ort wäre, wenn es Jobs wie meinen nicht gäbe.“
Die Erzählperspektive ermöglicht tiefe Einblicke in Marisas Gedanken. Sie rechnet knallhart mit ihrer Branche und mit sich selbst ab. Immer wieder zeigt sie, wie sinnlos und lächerlich alles in ihren Augen ist – und doch spielt sie weiterhin brav mit. Ihre mangelnde Motivation und die traurige Stimmung werden sprachlich ganz wunderbar transportiert. Der Roman entfaltet dadurch eine starke Sogwirkung und ist so unterhaltsam, dass man stundenlang dranbleibt.
„Man muss im richtigen Moment »eine Exceltabelle erstellen« oder »eine Präsentation vorbereiten«, als wäre das vergleichbar mit einer Operation am offenen Herzen.“
Neben den Beschreibungen der beruflichen Abläufe werden auch die persönlichen Abgründe der Protagonistin offengelegt. Auf urkomische Weise erzielt der Roman dadurch den perfekten Unterhaltungswert. Zugleich strotzt er vor Kritik an der Arbeitswelt und ihren gesellschaftlichen Idealen. Besonders gelungen sind die überspitzten Darstellungen von stundenlangen Meetings, sinnfreiem Mailverkehr und dem ewigen Machtkampf auf allen Ebenen des Bürogebäudes. Außerdem werden diese gekonnt mit feministischen Perspektiven kombiniert.
Im zweiten Teil nimmt die Handlung zwar reichlich an Fahrt auf, verliert aber gleichzeitig deutlich an Qualität und es folgt leider ein enttäuschendes Ende. Die Handlungen der Protagonistin sind nicht mehr hundertprozentig nachvollziehbar. Wo sie anfangs viel Kritik übt und sich zumindest gedanklich bewusst distanziert, wird sie später zur Mitläuferin. Auch der Bruch im Erzählstil ist eher negativ zu bewerten. Außerdem wirkt der Schluss nach dem ruhigen Anfang und dem langsamen Aufbau der Geschichteüberladen und unpassend.
Trotz dieser Kritik hat der Roman weit mehr zu bieten, als der Titel vermuten lässt. Er ermöglicht ein ungewöhnliches Leseerlebnis, weshalb er auch für Menschen, die eine genauso schlechte Meinung von Werbeagenturen wie Marisa haben, zu empfehlen ist.
von Jasmin Fuchs

Beatriz Serrano
Geht so
Aus dem Spanischen von Christiane Quandt
Eichborn 2025
240 Seiten
22,00 Euro
ISBN 9783847902126