45. Erlanger Poet*innenfest – Autorenportrait: Saša Stanišić
45. Erlanger Poet*innenfest – Autorenportrait: Saša Stanišić

45. Erlanger Poet*innenfest – Autorenportrait: Saša Stanišić

„Da war immer jemand, der es gut mit mir meinte“

CW: Flucht, Krieg, Mobbing, Rassismus, Tod

Am Freitag, 29. August 2025, wurde beim 45. Erlanger Poet*innenfest ein Autorenportrait über Saša Stanišić im ausverkauften Markgrafentheater geboten.

Bereits eine Stunde vor Veranstaltungsbeginn sammelten sich zahlreiche Literaturverliebte vorfreudig im Erlanger Schlossgarten und nutzten die knallorangen – eigens für Poet*innenfest aufgestellten Sitzgelegenheiten – um sich Saša Stanišićs Büchern hinzugeben. An der Abendkasse dann das große Hoffen auf die wenigen Restkarten. Selbst Stehplätze wurden dankbar angenommen.

Der Bestseller-Autor begeisterte sein Publikum durch eine Mischung aus Lesung und Gespräch mit der Moderatorin Maike Albath. Nachdem der tosende Begrüßungsapplaus verklungen war, führte Albath geschickt durch die wichtigsten biografischen Stationen von Stanišićs Leben und gab eine kurze Einführung in jedes seiner bereits erschienenen Bücher, um dem gemischten Publikum aus langjährigen Fans und erstmalig Zuhörenden eine gemeinsame Grundlage zu schaffen. Ihre klug gewählten Fragen boten Stanišić geeignete Impulse, um abwechselnd humorvolle und ernste, immer aber außergewöhnliche Geschichten aus seinem Leben und seinen Büchern zu erzählen. Das Publikum reagierte darauf immer wieder mit lautstarker Heiterkeit und spontanem Applaus.

Der kurzweilige Abend gliederte sich in vier Teile, welche abwechselnd aus Gespräch und Lesung bestanden. Besonders ausführlich wurde dabei über Vor dem Fest, sowie über die Figur Georg Hovarth gesprochen, welche erstmalig in Fallensteller auftaucht und der in Möchte die Witwe angesprochen werden, platziert sie auf dem Grab die Gießkanne mit Ausguss nach vorne drei Kapitel gewidmet sind. Stanišić bezeichnet ihn als Ablage für seine eigenen Psychosen und lässt ihn all die pädagogische Fragwürdigkeit ausleben, die er selbst seinem Sohn gegenüber sorgsam zurückhält. Im ersten Lesungsteil bot er den Anfang dieses Buches dar und zeigte dabei, wie gewohnt, vollen Einsatz. Anstatt den Text nur vorzulesen, performte er ihn – dem Ambiente vollumfänglich angemessen. Seine Darbietung war so authentisch, dass man die Hitze des Weinbergs förmlich spüren konnte und fast der Horizont knirschte, als sich komplett Erlangen zurücklehnte.

Zur Freude des Publikums und des Autors gelang es Albath, auf bisher noch nicht besprochene sprachliche Aspekte einzugehen und den Weg dafür zu bahnen, dass Stanišić bisher unbekannte Einblicke in seinen Schreib- und Rechercheprozess schenkte.

„Ich will die Welt kennenlernen. […] Nicht um mich lustig zu machen, sondern um sie ehrlich transportieren zu können.“

Er betont, dass es ihm dabei nicht um den eigenen Spaß, sondern um das Interesse an der Welt der anderen geht – nicht auf das Eigene zurückgeworfen zu werden, sondern auf das der anderen.

Zum Abschluss las Stanišić erstmalig einen Ausschnitt aus seinem neuen Buch Mein Unglück beginnt damit, dass der Stromkreis als Rechteck abgebildet wird, welches am 29.10.2025 im Luchterhand-Verlag erscheint. Dabei handelt es sich um eine Sammlung verschiedener Reden zum Zwecke der Ermutigung. Erneut nahm er Bezug auf seine eigene Biografie und die damit verbundenen Kriegs- und Fluchterfahrungen.

„Wie schön wäre das, wenn man nicht auf das Wohlwollen Einzelner angewiesen wäre?“

Im Gespräch waren bereits immer wieder politische Idee und Wünsche angeklungen, wie ein gutes Leben für alle gelingen kann. Aus eigenen Erfahrungen weiß der Autor, wie wichtig ein unterstützendes und wohlwollendes Umfeld ist und wie entscheidend ein leichter Anfang für das Selbstvertrauen ist. Jetzt setzt er sich dafür ein, dass Wohlwollen keine individuelle Entscheidung, sondern eine kollektiv gelebte Selbstverständlichkeit ist. Am Ende kulminierten diese Überlegungen in einem flammenden Plädoyer für Mitmenschlichkeit und Zivilcourage, das einige Zuhörer*innen zu Tränen rührte. All diese Worte ließen die Vorfreude auf das neue Werk und weitere Lesungen vom Meister der schönen Sprache wachsen.

Am Signiertisch beantwortete er trotz der langen Schlange interessierte Rückfragen und anstatt ungeduldig zu schubsen, überbrückten die Besucher*innen die Wartezeit mit regem Austausch über den geistreichen, unterhaltsamen und außergewöhnlichen Abend. Insgesamt lässt sich sagen: Das Autorenportrait von Saša Stanišić beim 45. Erlanger Poet*innenfest bot ein vollumfängliches Literaturvergnügen, das komplett begeisterte!

von Jasmin Fuchs

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