Der Kafka des 21. Jahrhunderts
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Zach Williams hat mit dem Kurzgeschichtenband Es werden schöne Tage kommen ein außergewöhnliches Debüt vorgelegt: Seine Erzählungen könnten kaum bedrohlicher, rätselhafter, kafkaesker sein. In einer Geschichte schläft ein Mann mit einer Frau, die er im Internet kennengelernt hat und wird dabei von einem Schrank aus beobachtet. Als er die Tür öffnet, wartet eine Überraschung auf ihn. In einer anderen bemerkt ein Vater plötzlich, dass sein Sohn einen sechsten Zeh hat. Die Situation überfordert ihn derartig, dass er zu erschreckenden Maßnahmen greift. In einer dritten findet sich ein Ehepaar auf einmal in einem Haus im Nirgendwo wieder. Kein Mensch weit und breit und egal wie lange sie gehen, sie kommen nirgends an; gleichzeitig altert ihr Kind nicht und scheint unverwundbar. Wie sind sie hierhergekommen und was hat all das zu bedeuten?
„Wie viel Zeit war vergangen, bis sich diese Fragen zu regen begonnen hatten?“
Ein wiederkehrendes Motiv der Geschichten ist die Verzögerung: Oft warten die Protagonist*innen lange, bis sie eine Entscheidung treffen. Ihre Passivität ist manchmal kaum zu ertragen. Man fährt beim Lesen durch eine Geisterbahn der Gefühle – Ekel, Beklemmung, Angst, Klaustrophobie, Überraschung – und findet oftmals auch nach dem letzten Satz keinen Ausgang. Die Geschichten sind aufgeladen mit Bedeutung: Unter der Oberfläche verhandeln sie den Klimawandel, streuen Kapitalismuskritik, beschäftigen sich mit Diversität und lassen einen immer wieder völlig ratlos zurück. Bisweilen fühlt sich jede Seite wie ein Fiebertraum oder Drogentrip an. Zach Williams‘ Geschichten scheinen vielmehr ein in Worte gepresstes Sinnbild unserer Zeit zu sein, als dass sie den Lesenden etwas Konkretes an die Hand geben können. All diejenigen, die nach Ablenkung, nach Unterhaltung, nach roten Fäden suchen, werden in diesem Buch eher nicht fündig. All diejenigen, die nach Worten suchen für das, was unter der Oberfläche liegt, für das, was wir oft nicht zu denken wagen, sollten jedoch einen Blick hineinwerfen.
von Hannah Conrady

Zach Williams
Aus dem Englischen von Bettina Abarbanell und Clemens J. Setz
Es werden schöne Tage kommen
dtv 2025
272 Seiten
24,00 Euro
ISBN 978-3-423-28461-5