TiG – Stolz & Vorurteil* (*oder so)
TiG – Stolz & Vorurteil* (*oder so)

TiG – Stolz & Vorurteil* (*oder so)

„Man kann keine stürmische Romanze führen, ohne frische Bettwäsche.“

Für diese frische Bettwäsche ist jedoch das Dienstpersonal zuständig und nicht die Hauptfiguren in Jane Austens Weltklassiker Stolz und Vorurteil. Deshalb gibt Isobel McArthur in ihrer Bühnenadaption genau diesen Charakteren eine Stimme (sowie einen Namen!) und lässt fünf Dienstmädchen mit viel Komik, mitreißenden Popsongs und dennoch stark werktreu die Liebesgeschichte(n) rund um die Bennet-Schwestern erzählen. McArthurs Neufassung Stolz & Vorurteil* (*oder so) war ursprünglich nur auf ein zweieinhalbwöchiges Stück in einem kleinen Theater ausgelegt und erfreut nun schon im achten Jahr sein Publikum – die West End Produktion wurde mit dem Laurence Olivier Award für Beste Comedy ausgezeichnet. In der deutschen Fassung von Silke Pfeifer ist nun auch Nina Lorenz‘ Inszenierung im TiG zu sehen.

Elizabeth Bennet (gespielt von Elena Weber) ist eine von fünf Schwestern einer Landadels-Familie, doch Frauen dürfen im England der Regency-Zeit weder Geld noch Besitz erben. Also muss ein Ehemann für mindestens eine der Töchter her, damit das Erbe gesichert ist. Die folgliche Brautschau auf Bällen der High Society demonstriert die Verzweiflung, mit der sich die Mutter (Ursula Gumbsch) abmüht eine Verlobung und damit finanzielle Sicherheit für sich und ihre Töchter zu erkämpfen. Hier kommt das Bühnenbild (Patrick L. Schmitz) der Inszenierung besonders zur Geltung. Auf zwei fahrbaren Baugerüsten turnen die fünf Schauspielerinnen umher und schlüpfen alle jeweils in mehrere Rollen, um die Dienstmädchen aber auch die Figuren der Liebesgeschichte zu verkörpern. Besonders die Mutter zieht sich schwerfällig am Gestänge hoch und veranschaulicht somit physisch ihre Anstrengungen ihre Töchter unter die Haube zu bekommen.

Gefühle als Luxus, den sich nicht jede leisten kann

Die Dialoge sind von viel Witz geprägt und dennoch ist der Ernst für die Frauen unmissverständlich. Ökonomische Zwänge lassen Heirat der Liebe wegen zum unrealistischen Traum werden und illustrieren die prekäre Situation, denen Frauen in der Zeit, obgleich ihrer gesellschaftlichen Stellung in dieser Hinsicht, ausgesetzt sind.

High School Musical trifft Jane Austen

Stolz & Vorurteil* (*oder so) zeichnet sich vor allem durch die Karaoke-Einlagen von so treffenden wie mitreißenden Popsongs aus. Immer wieder brechen die Figuren in Gesang aus. Der Liedtext wird, ganz wie es sich in einer Karaoke-Bar gehört, über die Bühne projiziert, sodass das Publikum sich selbst dabei erwischt, leise mitzusingen. Als Charlotte, die das Leid der unerwiderten Liebe zu ihrer besten Freundin als schmerzhaften lesbischen Klassiker repräsentiert und tränenerstickt Words Don’t Come Easy schluchzt, ist man genauso ergriffen wie amüsiert, da Aline Joers erneut in diesem Stück mit ihrem Können, nur mit Mimik eine unfassbare Bandbreite zu transportieren, besticht.

„Ich schlage mich den ganzen Tag mit lächerlichen Männern herum.“

Elizabeth steckt lieber die Nase in Simone De Beauvoirs Das andere Geschlecht (ein Lob an Chrysenda Sailmann (Kostüm) für die feministischen Easter Eggs von Elizabeths Literaturauswahl) anstatt sich den Annäherungsversuchen der überaus guten Partie Darcy hinzugeben, bis ihr die eigenen Gefühle einen Strich durch die Rechnung machen. Laura Mann spielt zum einen sehr gelungen Jane Bennet, aber glänzt zum anderen ebenfalls als Lady Catherine de Bourgh und George Wickham. Bei der Gesangseinlage des Letzteren als Regency-Fuckboy, oder als Jane auf einem verbogenen Staubwedel zu ihrem Charles Bingley reitet, schmeißt sich das gesamte Publikum durch die wohl platzierte Komik weg. Der Szenenapplaus an diesen und vielen anderen Stellen zeugt von der Begeisterung der Zuschauenden für das Stück und die Schauspielerinnen!

„I Can Buy Myself Flowers […] And I Can Hold My Own Hand“

Stolz & Vorurteil* (*oder so) im TiG endet mit allen Darstellerinnen, wie sie – angeführt von Mary Bennet (Heidi Lehnert) – gemeinsam Miley Cyrus‘ Hymne für Strong Independent Women, Flowers, singen und ausgelassen über die Bühne tanzen. Diese Schlussszene fängt perfekt die Atmosphäre des Stücks ein: ein unterhaltsamer Abend im TiG, der nur zu empfehlen ist!

Weitere Vorstellungen finden am 18., 23., 24., 28., 29. Oktober sowie 9., 11., 12., 13., 14. Und 15. November 2025 statt. Beginn ist jeweils um 19:30 Uhr, außer am 9. November bereits um 18 Uhr.

von Michaela Minder

Fotos: Copyright Werner Lorenz

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