Staatstheater Nürnberg – 74 Minuten von Raphela Bardutzky
Staatstheater Nürnberg – 74 Minuten von Raphela Bardutzky

Staatstheater Nürnberg – 74 Minuten von Raphela Bardutzky

„Sind Sie denn gar nicht politisch interessiert?“

CW: Antisemitismus, Burnout, Krankheiten, Rassismus, Tod

Wie lange dauert ein durchschnittlicher Notfalleinsatz im Rettungsdienst? Wie lange braucht eine routinierte Reinigungskraft zum Putzen von 300m2 Büroräumen? In 74 Minuten von Raphalea Bardutzky bekommen fünf ganz unterschiedliche Figuren 74 Minuten Zeit, um ihre Geschichten ausgehend davon zu erzählen. Das Stück lebt von fragmentarischen Szenen und schnellen Wechseln, sodass der rote Faden erst kurz vor Ende deutlich wird.

„Natürlich bin ich interessiert. Ich wäre auch gern noch interessierter, aber ich bin zweifache Mutter.“

Zeit ist politisch. Dies wird nicht nur am Vorabend vom Hitlers Geburtstag 1942 deutlich, sondern auch bei Begegnungen im verspäteten ICE, der Kinderbetreuung und beim Skilanglauf. Die Aufführung von Beethovens 9. Sinfonie, dirigiert von Wilhelm Furtwängler (Kristina-Maria Peters), wird zur Grundlage des Stücks und wird verwoben mit zahlreichen Alltagssituationen der Gegenwart.

„Ja, das ist bitter. […] Ich wünschte es wäre leichter. Solidarität beginnt bei den anderen.“

In schlichter Kulisse und mit wenig Requisiten bieten die fünf Darsteller*innen ein hochgradig unterhaltsames Stück dar, welches von rhythmischen Chorografien lebt. Vielfach wird durch die Bewegungen der Schauspielenden die Metaebene des Stücks deutlich. Lobend hervorzuheben ist dabei die hohe Synchronität. Den Darsteller*innen gelang es außerdem hervorragend, zwischen verschiedenen Rollen zu wechseln. Sie verkörperten nicht nur ihre eigene Rolle treffend, sondern agierten auch als Statist*innen für die Szenen der anderen nachvollziehbar und authentisch.

„Er hat nur einen 50€-Schein. Leider wird er keine Zeit haben, auf einen im Restgeld kramenden Taxifahrer zu warten.“

Das Stück spielt mit verschiedenen Stereotypen sowie gesellschaftlichen Vorstellungen und bricht diese geschickt auf. Es bietet interessante Denkanlässe zur Selbstreflexion und ist stressig und entschleunigend zugleich. 74 Minuten von Raphalea Bardutzky ist in vielerlei Hinsicht exzellent gemacht und absolut zu empfehlen.

Weitere Vorstellungen finden am: 05., 12. Dezember, 10., 11., 20., 24. Januar 13. Februar, 14. März und 21. Mai statt. Beginn ist abweichend jeweils um 18 Uhr oder 19:30 Uhr.

 von Jasmin Fuchs

Fotos: © Ludwig Olah

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