ETA Hoffmann Theater – Die unendliche Geschichte (kurze Version)
ETA Hoffmann Theater – Die unendliche Geschichte (kurze Version)

ETA Hoffmann Theater – Die unendliche Geschichte (kurze Version)

Kreativ, kindlich, kraftvoll – das sind drei K

Mit Die unendliche Geschichte hat Michael Ende vor über 25 Jahren ein Werk geschaffen, das bis heute Generationen von Leser*innen geprägt hat. Eltern, die den Roman einst selbst als Kinder verschlungen haben, lesen ihn nun ihren eigenen Kindern vor. Ein schöner Kreislauf der Fantasie, der über Jahrzehnte fortbesteht und den Kern des Romans widerspiegelt. Aus diesem Grund präsentiert das ETA Hoffmann Theater Bamberg diese märchenhafte Geschichte gleich in zwei Versionen: als Familienstück in voller Länge und als gekürzte Version im Sinne eines Weihnachtsmärchens speziell für Kinder. Am 8. November durften Alt und Jung, Groß und Klein die Premiere der Kurzfassung unter Regie von Carl Philip von Maldeghem und Lara Roth bestaunen.

„Vor uns ist das Ende. Nein, der Anfang.“

Im Zentrum der Geschichte steht Bastian Balthasar Bux (Daniel Warland), ein einsamer, schüchterner, aber fantasievoller Junge. Er liebt es, sich Geschichten auszudenken, doch niemand will sie hören. Auf der Flucht vor seinen Mobbern landet er zufällig im Theater von Herrn Koreander (Florian Walter), der ihm ein geheimnisvolles Buch zeigt: Die unendliche Geschichte. Bastian beginnt zu lesen und taucht in die Welt Phantásien ein. Phantásien wird vom rätselhaften „Nichts“ bedroht, das alles zu verschlingen scheint. Die Herrscherin dieser Welt, die Kindliche Kaiserin (Laura Röseler), ist schwer krank und sendet den jungen Helden Atréju (Leyla Bischoff) aus, um Heilung zu finden und das Land zu retten. Auf seiner abenteuerlichen Reise durchquert er fantastische Gebiete und trifft mit seinem Pferd Artax (Iris Hochberger) auf unzählige wundersame Wesen: den mächtigen Zentaurenmagier Cairon (Florian Walter), das uralte Wesen Morla (Eric Wehlan), das die Größe eines Berges hat, den bösen Werwolf und Antagonisten Gmork (Hermia Gerdes) oder eine riesige Spinne namens Ygramul (Laura Röseler). An seiner Seite steht stets der Glücksdrache Fuchur (Martin Trippensee), Symbol für Hoffnung, Freundschaft und Mut. Während Bastian liest, wird er jedoch zunehmend Teil der Geschichte selbst. Er erlebt nicht nur die Abenteuer von Atréju, sondern muss auch lernen, Verantwortung für seine eigenen Wünsche, seine Fantasie und seine Handlungen zu übernehmen. So verschmelzen Realität und Fantasie auf einzigartige Weise, und Bastian entdeckt nach und nach seine eigene Stärke, seinen Mut und die Macht der Vorstellungskraft.

Eine so große Geschichte lässt sich natürlich nicht vollständig in einer einstündigen Theaterfassung zeigen. Notwendigerweise müssen einige Szenen gekürzt oder ganz gestrichen werden, ohne dabei die Logik der Handlung zu verletzen. Dieser Spagat gelingt. Auch ohne Vorkenntnisse des Romans wirkt die Handlung geschlossen, stimmig und emotional packend. Zwar geht es an manchen Stellen zügig voran, von Szene zu Szene, von Figur zu Figur, doch die zentralen Momente bekommen genügend Raum, um Tiefe zu entfalten. Gerade für das junge Publikum ist diese verdichtete, klare und dennoch berührende Inszenierung ideal: spannend, verständlich und mitreißend zugleich.

In nur einer Stunde wird das Publikum durch beeindruckende Bühnenbilder und Kostüme (Christian Floeren), perfekt akzentuierte Musik (Julius von Maldeghem) und herausragende Schauspielkunst förmlich in das Stück gezogen; eben wie der Protagonist Bastian Bux selbst. Die Inszenierung des Stücks strotzt dabei nur so von Kreativität. Licht und Schatten (Volker Nitschke) werden genutzt, um Spannung zu erzeugen und Emotionen darzustellen. Der sich ständig wandelnde Hintergrund sorgt für eine visuelle Dynamik, die Kinder wie Erwachsene gleichermaßen fesselt Ein besonderer Höhepunkt ist die Szene, in der eine mobile Kamera als Spiegel auf der Bühne eingesetzt wird. Ein moderner Kunstgriff, der dem Publikum eine regelrechte Sogwirkung beschert. Auch die aufwendig gestalteten Kostüme überzeugen: eine riesige Spinne, die von der Decke herabhängt, oder die beeindruckende, bewegliche Kopf-Puppe des Glücksdrachen Fuchur, deren Erscheinen jedes Mal Staunen im Saal auslöst. Wenn die Figuren schließlich mithilfe eines Krans scheinbar durch die Lüfte schweben, sind die Herzen der Kinder endgültig gewonnen. Das ETA Hoffmann Theater Bamberg lässt ein Stück Phantásien Realität werden und bringt zahlreiche Augen zum Strahlen. Diese Interpretation zur unendlichen Geschichte steht dem Originalwerk in puncto Kreativität und Magie in absolut nichts nach. Ganz im Sinne des Spruches „Know your audience“ wird Bastians Reise in einer kindgerechten, berührenden Form erlebbar gemacht. Um es mit einem bekannten und hier tatsächlich sehr treffenden Slogan zu sagen: Ein Vergnügen für die ganze Familie!

Die einfache, aber doch stringente Handlung schafft es, die Kernelemente des Romans von Michael Ende auf den Punkt zu bringen: Fantasie, Identität, Freundschaft und Mut. Die kreative Umsetzung macht diese Werte greifbar und entführt das Publikum in die Welt der Träume, Phantasiewesen und unendlichen Möglichkeiten. Die amerikanische Schriftstellerin Kate Douglas Wiggin schrieb einmal: „If you make children happy now, you will make them happy twenty years hence by the memory of it“. Das Stück schenkt dem Publikum ein Erlebnis, das über den Moment hinauswirkt. Die Kinder werden nicht nur für eine Stunde unterhalten, sondern nehmen Bilder, Gefühle und Träume mit, die sie später noch bewegen können. Genau wie Bastian, der durch die Fantasie wächst und sich verändert, werden die Kinder dazu angeregt Schöpfer*innen ihres eigenen Phantásiens zu werden. Demnach eine klare Empfehlung für alle, die Kindern eine Freude machen oder selbst das innere Kind aufleben lassen wollen.

Nach der Vorstellung nahmen sich alle Schauspieler*innen Zeit für eine Autogrammstunde mit den Kindern; ein schönes Zeichen der Nähe und Wertschätzung. Der Andrang, die leuchtenden Gesichter und die Gespräche mit den kleinen Zuschauer*innen zeigten eindrucksvoll, welche Wirkung dieses Stück entfaltet. Weitere Vorstellung dieser kurzen Version finden um 09:00 Uhr am 11.11., 12.11., 13.11., 14.11., 17.11., 18.11. 25.11., 26.11. und 27.11. statt. Um 11:00 ist das Stück ebenfalls am 11.11., 25.11., 26.11. und 27.11. zu sehen. Außerdem noch nachmittags am 15.11. um 15:00 Uhr und 17:00 Uhr.

von Vincent Berwind

Fotos ©Marian Lenhard

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert