Stefan Zweig – Schachnovelle
Stefan Zweig – Schachnovelle

Stefan Zweig – Schachnovelle

Stefan Zweigs Antwort auf den Nationalsozialismus

Auf einem Passagierdampfer unterwegs von New York nach Buenos Aires begegnen sich zwei Größen des Schachspiels: der amtierende Schachweltmeister Mirko Czentovic, einfältig, arrogant, stolz, und der zurückhaltende Dr. B., nach einer Gestapo-Haft von Nervenleiden befallen, vom Trauma verfolgt. Seine Geschichte, die ihn zu einem ebenbürtigen Gegner Czentovics macht, und die immanenten Bilder der ihm widerfahrenen Gräueltaten, die er in einer ruhigen, so detailgetreuen Schilderung evoziert, machen die Schachnovelle zu Stefan Zweigs politischem Erbe. Er schrieb sie 1942 kurz vor seinem Freitod im brasilianischen Exil. 

„Nichts und Nichts und Nichts um einen“

Als Vermögensverwalter mit Verbindungen zu Monarchie und Klerus geriet Dr. B. in das Fadenkreuz der Nationalsozialisten. Aus dem Leben gerissen und festgenommen wurde ihm eine „besondere Behandlung“ zu Teil, eine Behandlung für all jene, denen das Naziregime Informationen entlocken wollte. So wartete nicht das Konzentrationslager, sondern die Isolationshaft im Gestapo-Hauptquartier, „keineswegs eine humanere, sondern nur eine raffiniertere Methode“, wie Dr. B. kontrastiert, „denn bekanntlich erzeugt kein Ding auf Erden einen solchen Druck auf die menschliche Seele als das Nichts“. Zweigs Sätze sind ostentative Schilderungen perfider, leider realer Vorgehensweisen, die trotz der Kürze der Novelle eindrücklicher nicht sein könnten. So entfaltet sich in der Binnenerzählung die eigentliche Stärke des Textes. Zweig skizziert sukzessive das Seelenleben eines Individuums, das im imaginierten Schachspiel erst zu erlösender Rettung gelangt und dann totalen Marasmus erleidet. Seine packende, ruhige Prosa, seine gekonnt auf Emotionalität gestimmte Stilistik gehen in Einklang mit Dr. B.s Schicksal als Gefangener der Nationalsozialisten. Eine beklemmende, intensive, aufwühlende Lektüre voll sprachlicher Wucht. 

von Luisa Bader

Stefan Zweig
Schachnovelle
Reclam 2020
100 Seiten
8,00 Euro

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