Alina Bronsky – Schallplattensommer
Alina Bronsky – Schallplattensommer

Alina Bronsky – Schallplattensommer

Die Schattenseiten eines Sommers

Eis essen, den Tag am See verbringen, in der Hängematte dösen und einfach mal den Ernst des Lebens vergessen – so sieht für viele der perfekte Sommer aus. Nicht so jedoch für Maserati. Fürs ausgiebige Sommer-Faulenzen hat sie weder Zeit noch angemessene Gesellschaft in ihrem Dorf. Bis Theo und Caspar mit ihrer Familie in die verlassene Villa im Ort einziehen und auf einmal einen größeren Platz in ihrem Leben einnehmen, als Maserati lieb ist.

Aus der Bahn geworfen

Maserati hat die Gaststätte ihrer Großmutter fest im Griff – und das muss sie auch, denn ihre Oma scheint geistig und körperlich immer mehr abzubauen und ist ihr manchmal eher einKlotz am Bein als tatsächliche Hilfe. So bestehen die Tage der 17-Jährigen aus kochen, putzen, Besorgungen machen und natürlich dem Service in der Gaststätte, während sie den Sommergästen beim Eis Essen und Baden zusieht. Und weil es in Maseratis Leben neben ihrer Großmutter nur Georg gibt, mit dem sie sich ab und zu trifft, der sie aber auch nicht aus ihrem Alltagstrott herausbringen kann, hat sie sich in dieser Routine ohne große Störfaktoreneingelebt.

So verbringt sie ihre wenige Freizeit am liebsten allein und ungestört, bis die beiden Jungen Theo und Caspar in der Gaststätte auftauchen und sich als neue Anwohner vorstellen. Sie scheinen Gefallen an Maserati gefunden zu haben – wahrscheinlich, weil sie das einzige Mädchen weit und breit ist, wie sie selbst vermutet. Trotz Maseratis reservierter und abweisender Art lassen die Jungs nicht locker und verbringen immer mehr Zeit mit ihr. Doch sie erleben nicht nur gute Momente zusammen. Im Gegenteil: Maseratis Leben wird auf den Kopf gestellt und sie muss sich mit ihrer Vergangenheit befassen, die sie seither so gut wie möglich verdrängt hat. Und auch Theo und Caspar haben ihre Geheimnisse, die in einem sorgenfreien Sommer keinen Platz finden.

Luft nach oben

Bronsky konstruiert eine kleine Welt, in der nichts perfekt ist – auch nicht die neu dazu gezogene reiche Familie, die alles zu haben scheint. Maseratis verzwickte Lage wird schnell deutlich, man kann kaum anders, als mit ihr hin- und hergerissen zu sein zwischen der alten Gewohnheit, für die sie den Preis der Einsamkeit bezahlt, und neuer potenzieller Freundschaft, die sie aber nicht ohne Risiko eingehen kann. Doch in dieser moralischen Zwickmühle wirkt auch vieles zu konstruiert, um als Leser*in ganz in die Geschichte eintauchen zu können. Manche Figuren hätten durchaus mehr Tiefgang verdient, genauso wie es sich gelohnt hätte, den einen oder anderen Handlungsstrang zu stärken und andere auszulassen.

Schallplattensommer ist definitiv kein leichtes Sommerbuch, auch wenn hin und wieder kurze Augenblicke von Unbeschwertheit und Wärme in Maseratis Geschichte durchscheinen, die ansonsten vor allem von Distanz und Kühle geprägt ist. Es gelingt Bronsky zudem, Klischeeszwar immer wieder zu streifen, doch nie ganz in stereotype Fallen zu tappen, die narrative Sackgassen mit sich brächten. So eignet sich Schallplattensommer wohl für alle, die gerade genug von kunterbunter Strandlektüre haben und sich auch einmal mit den Schattenseiten des Sommers befassen möchten.

von Marlene Hartmann

Alina Bronsky
Schallplattensommer
dtv 2022
192 Seiten
15 Euro

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert