Rebekka Endler – Das Patriarchat der Dinge
Rebekka Endler – Das Patriarchat der Dinge

Rebekka Endler – Das Patriarchat der Dinge

„Der Mann ist das Maß aller Dinge.“

Wer behauptet, feministische Kritik würde sich nur auf der theoretischen Ebene bewegen, findet in Rebekka Endlers Sachbuch Das Patriarchat der Dinge – Warum Frauen die Welt nicht passt einen Augenöffner. Die Autorin zeigt, dass die materielle Welt vorwiegend für Männer konstruiert ist.

Dabei überführt die Journalistin die misogyne Alltagswelt durch vielseitige Anekdoten über sexistisches Design. Von den frauenfeindlichen Bedingungen des öffentlichen Raums, der Arbeitswelt und medizinischer Versorgung über die Restriktionen des Kulturbetriebs und der Technologie-Branche bis hin zur männlich dominierten Entwicklung von Mode deckt die Autorin die Ursachen gegenwärtiger Zustände der patriarchalischen Materialität auf. Denn die Diskriminierung von Frauen beginnt beim mangelnden Zugang zu öffentlichen Toiletten oder der Skandalisierung von Wellness-Produkten rund um weibliche Lust und endet tödlich bei einer mangelhaften Diagnose von Herzinfarkten oder unzureichender Autosicherheit. Doch allein bei der Dingwelt bleibt es nicht, auch Sprachkonstrukte sind Diskussionsgegenstand des Buchs: Denn wieso schließen Grundschüler*innen vom generischen Maskulinum mehrheitlich auf Männer? Wie kann es sein, dass die Namen weiblicher Wissenschaftspionierinnen im Gegensatz zu männlichen Forschern unsichtbar bleiben?

„Die Dinge haben Veränderungspotential.“

Auf jeder Seite spürt man Rebekka Endlers Leidenschaft für ihre Recherche, deren Anfänge selbst Steine der Ignoranz in den Weg gelegt wurden, wie sie im Vorwort berichtet. Die Autorin schreibt fundiert und unterhaltsam zugleich, wodurch ein flüssiges Lektüreerlebnis entsteht. Die Themenbereiche sind breit gefächert, doch immer durch einen roten Faden miteinander verknüpft, der sich bald gedanklich durch die eigene Lebensumwelt schlängelt. Die Beispiele der Journalistin regen dazu an, als selbstverständlich erachtete Designs, wie etwa Bordsteinkanten, Pissoirs oder Bohrmaschinen, zu hinterfragen. Zum einen verdeutlicht die eindringliche Darstellung von Missständen den Handlungsbedarf in puncto gendergerechten Designs. Zum anderen wirft Rebekka Endler ein Schlaglicht auf intelligente Patente und Lösungsansätze, denen schlichtweg die Anerkennung innerhalb des Patriarchats fehlt. Dabei bricht die Autorin gleich zu Buchbeginn eine Lanze für den intersektionalen Feminismus, der auch das Zusammenspiel unterschiedlicher Diskriminierungsformen in den Fokus rückt. Im Großen und Ganzen schreibt Rebekka Endler über Geschlechtergerechtigkeit auf einer lebenspraktischen, einer dingfesten Ebene, die für jede*n zugänglich ist, persönliche Erfahrungen anspricht und Diskurse über die Verteilung von Privilegien anregt. Vielleicht bleibt Das Patriarchat der Dinge so in ferner Zukunft nur noch ein großartiger Titel in feministischen Bücherregalen.

von Elisa-Maria Kuhn

Rebekka Endler
Das Patriarchat der Dinge – Warum die Welt Frauen nicht passt
Dumont 2021
336 Seiten
22 Euro

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