—
Content Warning: Inzest, Selbstmord, Tod
—
Wenn Missverstandene zu Wort kommen könnten, …
… dann würde es so aussehen wie bei „Ein Comeback – Judas und Ismene packen aus”. Denn hier werden die Monologe „Schwester von” und „Judas” von Lot Vekemans unter Nina Lorenz’ Regie zu einem einzelnen Stück verbunden. Das dabei entstandene, sehr gelungene Endergebnis war in der Premiere am 2. März 2023 im Theater im Gärtnerviertel zu begutachten.
Judas, das war doch der Verräter! Und Ismene, von der hat man noch nie gehört – oder war das etwa die Schwester von Antigone? Bei „Ein Comeback” ist der Titel Programm, denn es werden zwei Charaktere in den Mittelpunkt gerückt, die bisher immer missverstanden wurden und nun endlich die Möglichkeit haben, zu Wort zu kommen.
Während Judas seinen Verrat verarbeiten und dabei seinen Namen von all den negativen Konnotationen befreien möchte, will Ismene nichts mehr, als dass ihr Name endlich eineeigene Bedeutung erhält. „Ismene: Tochter von, Schwester von. Das ist alles, was von mir übrig ist”, erzählt sie dem Publikum mit leerer Stimme.
Die beiden Geschichten werden hier im ständigen Wechsel durch die Besetzung von Doppelrollen erzählt. Dabei nehmen die Schauspielenden neben ihren Charakterrollen auch immer wieder die Position eines Erzählenden ein. So wird es möglich, einen tiefen Einblick in die Emotionen der Charaktere zu erhalten, die von ihrer schmerzhaften Vergangenheit vorgeprägt sind. Auch ohne detailliertes Vorwissen zu den Geschehnissen bleibt die Darstellung dabei stets verständlich und nachvollziehbar.
„Ich will meine Geschichte erzählen, so wie ich sie erlebt habe.”
In fokussierten Monologen werden wir durch die Gefühlslagen der beiden Figuren geleitet. Selbst mit dem sehr reduzierten Bühnenbild und wenigen Requisiten gelingt es dabei, die Welt der Charaktere entstehen zu lassen. Es ist unglaublich, wie vielseitig sich letztlich ein Plastikeimer einsetzen lässt – lustig als Trommel und Kopfbedeckung oder als erhöhendes Podest. Auch die mit Erde gefüllten Kübel, von denen man anfangs nicht mehr als einen dekorativen Zweck erwartet, kommen überraschend zum Einsatz.
Neben dem gesprochenen Wort finden sich in „Ein Comeback” durch die einnehmende Choreographie von Johanna Knefelkamp auch andere Formen des Ausdrucks. Wiederholt sieht man sich hier Bildern von beeindruckend inszenierten, verschlungenen Körpern gegenüber. Mit den oft schon an Akrobatik anmutenden Aufbauten wird eine starke Spannung geschaffen und nicht selten waren als Reaktion auf ein besonders körperlich anspruchsvolles Tableau auch erstaunte oder besorgte Ausrufe des Publikums zu vernehmen.
Schön auflockernd für das Geschehen sind auch die humoristisch skurril gestalteten Szenen, in denen die Schauspielenden aus ihren Rollen von Judas und Ismene heraustreten und sich stattdessen über die Aufführungspraxis und Hintergründe des Stücks unterhalten.
Diese Witze waren zwar manchmal etwas überzogen, wurden jedoch immer lautstark vom lachenden Publikum belohnt. So erhält die Inszenierung einen modernen Anklang, was auch nochmal durch die musikalische Gestaltung von Stephan Goldbach verstärkt wird. Hier kommen, auch nicht immer wie erwartet, verschiedenste Instrumente zum Einsatz. Zudem werden einige Szenen mit modernen und bekannten Stücken wie „I Will Survive” gesanglich untermalt und stimmungsvoll weitergeführt.
Im Rahmen dieser Inszenierung gelingt zwei Figuren ein Comeback in das Bewusstsein des Publikums. In den zwei Stunden Laufzeit wird man mit verschiedensten Eindrücken und Gefühlslagen konfrontiert, während denen vielleicht sogar unerwartete, psychologischeEinblicke möglich werden. Gleichzeitig ist das amüsante, von Musik begleitete Schauspiel unterhaltend und macht einfach Spaß beim Zuschauen. Dementsprechend wurde die Arbeit vom Publikum in der Premiere auch mit enthusiastischem Beifall und einer verdienten Standing Ovation belohnt.
Weitere Aufführungen gibt es am 4., 10., 11., 15., 16., 23., 24., 25., 29., 30. März und 5. April. Beginn ist jeweils um 19:30.
von Victoria Dimeo und Rahel Indlekofer