Evan Tepest – Power Bottom
Evan Tepest – Power Bottom

Evan Tepest – Power Bottom

„Was [ist] der Katholizismus anderes als das zur Religion erhöhte Begehren, sich zu unterwerfen?“

CW/Inhaltswarnung: sexuelle Gewalt

Evan Tepest schreibt mit Power Bottom eine Essaysammlung, in der sich literarische Auseinandersetzungen mit Sprache und Sexualität in Kapiteln mit Titeln wie Queere HeiligeQueerness als Metapher oder Pornhub wiederfinden. Darauf folgt ein Gespräch mit Lynn Takeo Musiol und letztlich eine dyke-doggische Enzyklopädie, in der die beiden eine lesbische Parallelwelt beschreiben. 

„Dear reader, was ist deine problematische Fantasie?“

Tepest untersucht scharfsinnig die Diskrepanz zwischen sexueller Lust und Moral: „Können wir Vergewaltigungsfantasien haben und emanzipierte Feminist:innen sein?“. Im Kontext von Sexualität und Identität wird Fantasie und Begehren politisiert. Folglich konkurrieren die sexuelle und die politische sowie die geschlechtliche Identität miteinander. In Verbindung zum Titel des Werks Power Bottom geht Tepest auf die inhärenten Machtverhältnisse von Sex(ualität) ein. Das Zusammenspiel von Penetration, Gewalt, Scham und Ermächtigung wird besonders aus der queer-lesbischen Perspektive analysiert. Die Dichotomie von Top und Bottom, aktiv und passiv, privilegiert und marginalisiert, mächtig und ohnmächtig lässt sich gesamtgesellschaftlich erweitern und findet sich als grundlegendes Konzept in unserer Sprache wieder. Tepest nutzt Autofiktion, offenbart sich als Bottom, beschreibt intim seine Sexualität – und behält dadurch letztlich die Kontrolle. Power Bottom! 

Queerness als Schlachtfeld

„Queer zu sein bedeutet, sich zu schämen. Und das hat auch immer mit der Angst zu tun, nicht queer genug zu sein oder nicht auf die richtige Art queer“. Tepest beschreibt zum einen, wie Queerness subjektiv als Unzulänglichkeit wahrgenommen werden kann und zum anderen als sexuelles Kapital angestrebt wird. Er benennt Diversitätshunger als Cultural Appropriation. Queerness wird sich angeeignet, um daraus Profit zu schlagen: Künstler*innen, die mit dem Queer-Sein bewusst flirten, dadurch ihr Image mit vermeintlicher Offenheit schmücken, um ihren Erfolg zu steigern. Trotzdem entscheiden Klasse, Gender und Race. Was bei einer bisexuellen, normschönen, weißen Performerin als „queere Sexyness“ wirkt, ist bei einer Schwarzen Butch auf einmal nicht mehr begehrenswert. Dennoch hält Tepest an der Hoffnung fest, dass die Sehnsucht nach Queerness mit politischem Potenzial für eine Überwindung von Ungleichheit aufgeladen ist.

Die einzelnen Essays sind in prägnante Abschnitte unterteilt, wodurch es den Lesenden erleichtert wird, die theoretischen Einschübe zu verstehen und mit den autobiographischen Elementen zu verknüpfen. Zahlreiche Verweise zu Philosophie, Literatur und Popkultur zeugen von fundierter Recherche und geben Anstöße für eigene weitere Lektüre. Tepest versteht es, präzise und kritisch zu analysieren sowie dabei genug Raum zu lassen für die eigene Auseinandersetzung mit den Inhalten.

Evan Tepest ist auch Journalist und schreibt u.a. die Kolumne „Triple Water“ im Missy Magazine. Weiteres gibt es, gemeinsam mit Lynn Takeo Musiol, in der Reihe DYKE DOGS.

von Michaela Minder

Evan Tepest
Power Bottom
März Verlag 2023
160 Seiten
18,00 Euro

Ein Kommentar

  1. Pingback: Evan Tepest – Schreib den Namen deiner Mutter - Rezensöhnchen

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert