„Der Nachrücker war stets verzichtbar“
—
Mit dem berüchtigten Megxit, dem Zurücktreten von Harry, Herzog von Sussex, und Meghan, Herzogin von Sussex, von ihren Ämtern als hochrangige Mitglieder der britischen Königsfamilie und ihrer Auswanderung in die USA, haben der „Skandal-Prinz“ und die ehemalige Schauspielerin für einen waschechten Skandal gesorgt. In Reserve, seinen Memoiren, beschreibt Harry aus seiner Sicht und ausführlich wie nie, was seine Frau und ihn zu diesem drastischen Schritt geführt hat. Er erzählt seine bisherige Lebensgeschichte und rechnet dabei nicht nur mit der Royal Family, sondern vor allem mit der britischen Boulevardpresse ab.
Prinz Harrys Sicht der Dinge
Ganz egal, was man von der britischen Königsfamilie hält, es ist unbestreitbar, dass sie eine gewisse Faszination auf die Menschen ausübt. So ist der Tod von Prinzessin Diana mit der anschließenden Trauerfeier, bei der Harry und sein Bruder William hinter dem Sarg ihrer Mutter hergehen mussten, Teil des kollektiven Gedächtnisses. Seine Autobiographie beginnt Prinz Harry genau hier – mit dem Tod seiner Mutter. Es folgt ein Rückblick auf sein Leben, den der Prinz in drei Teile gliedert: Seine Kindheit, seine Ausbildung und Arbeit bei der britischen Armee sowie das Leben mit Meghan. Dabei wird schnell deutlich, dass es vor allem drei Dinge sind, die alles überschatten – der frühe Tod seiner Mutter, das ewige hinter seinem Bruder Prinz William, dem Thronfolger, stehen und die Verfolgung durch Paparazzi und Boulevardpresse.
Reserve liest sich an vielen Stellen beinahe wie ein fiktiver Text, so detailreich beschreibt Prinz Harry verschiedene prägende Episoden seines Lebens. Er geht akribisch genau vor, behandelt so viele Einzelheiten, dass das Buch an einigen Stellen sehr langatmig ist. Hier hätte er schneller auf den Punkt kommen können, statt sich in Kleinigkeiten und Details zu verlieren. Daneben bleibt natürlich auch noch Platz für Klatsch und Tratsch sowie private Einblicke in das Leben der Königsfamilie. Außerdem lässt der britische Royal tief in sein Inneres blicken, spricht ungefiltert und direkt von Ängsten, Sorgen und Traumata. Vor allem aber rechnet Harry mit der Presse ab – es gibt kaum eine Seite, auf der er nicht die britischen Journalist*innen, insbesondere aber Paparazzi kritisiert, die erst das Leben seiner Mutter, dann sein eigenes und schließlich das seiner Frau Meghan zur Hölle machten. Ein Abrechnen, das sicherlich Berechtigung hat. Seine Schilderungen schockieren, lassen einen ungläubig den Kopf schütteln – wie kann man das einem Menschen, egal ob er in der Öffentlichkeit steht oder nicht, nur antun? Schwierig ist jedoch, dass Prinz Harry nicht zwischen Boulevard- und Qualitätsjournalismus unterscheidet. Stattdessen geht er stark verallgemeinernd vor und stellt alle Journalist*innen per se als „schlechte Menschen“ dar.
Man mag von Harry und seiner Selbstvermarktung halten, was man will, es ist aber in jedem Fall interessant, in Reserve seine Sicht der Dinge zu erfahren. Es ist sicher kein Must-Read, aber doch eine interessante Lektüre für alle, die sich für das Leben der „Schönen und Reichen” interessieren.
von Rebekka Barta
Prinz Harry
Reserve
Aus dem Britischen Englisch von Stephan Kleiner, Katharina Martl, Johannes Sabinski, Anke Wagner-Wolff und Alexander Weber
Penguin 2023
539 Seiten
26,00 Euro