WildWuchs Theater – 1984
WildWuchs Theater – 1984

WildWuchs Theater – 1984

„War is Peace & Ignorance is Strength“

Am Mittwochabend, dem 24. Mai 1984, ähm, 2023, feierte die Inszenierung von 1984 nach George Orwell vom WildWuchs Theater seine Premiere im Palais Schrottenberg in Bamberg. Nach der Regie Frederic Heisigs und Dramaturgie Steven Lükes, standen Kristina Greif, Daniel Reichelt und Sebastian Stahl auf der Bühne. Der Saal war ausverkauft, ein paar letzte Stühle wurden für die Besucher*innen hineingequetscht und die Lichter gedimmt. Rund zwei Stunden später wurden die Besucher*innen aus dem Klammergriff Ozeaniens entlassen.

Die Inszenierung scheint die Folter und Gehirnwäsche der Figur Winstons Smith (Daniel Reichelt) zu begleiten; man wird gleich zu Beginn in eine Rekonditionierungsszene geworfen und das ganze Stück ist eine Ansammlung von Bruchstücken aus Erinnerungen, Befragungen und Gehirnwäsche. Als Adaption wirkt es wie ein szenischer Abdruck der Buchvorlage, die Essenz des Buches wurde eingefangen und deutlich transportiert, ohne die Handlung chronologisch nacherzählen zu müssen.

Als Einstieg in das Stück dient das beigelegte Programmheft, das die Rahmenbedingungen des Staates Ozeanien in einem Interview mit der KI von Ozeanien erklärt. Wer nicht werksicher ist, findet dort zudem ein paar Antworten. Ein spannender Aspekt der Inszenierung ist die starke Einbindung des „Neusprech“, das in Ozeanien verwendet wird, wo alte Worte durch neue, simplere ersetzt werden. Dieser Neusprech wird außerdem durch viele Anglizismen gestützt. „Wir simplifyen die Sprache auf ihr nacktes Gerüst“.

„Wer die Gegenwart kontrolliert, kontrolliert die Vergangenheit“

Es sind durchgehend nur drei Figuren auf der Bühne, die Winston gegenüber mal als Verbündete*r oder Verräter*innen auftreten, je nachdem welche Szene gerade gefordert wird. Es werden nicht nur aktiv Szenen nachgespielt, sondern auch Teile von Winstons Verhalten durch die anderen beiden Schauspielenden vorerzählt, was zuweilen verwirrend und gruselig war.

Um die Überwachung und technischen Standards von Ozeanien darzustellen, arbeitet die Inszenierung viel mit einer Videoleinwand und Handkameras , die zusätzlich von Musikuntermalung gestützt wurden, was die Spannung und Abwechslung im Stück gehalten und Längen verhindert hat.

Die Zuschauerkommentare nach der Premiere können als sehr positiv beschrieben werden. Ein Zuschauer sagte beispielsweise aus, dass es sich bei dem Stück um eine klassisch avantgardistische Inszenierung, welche typisch für das Wildwuchstheater ist, handle. Insgesamt hat das Stück die Erwartungen übertroffen. Eine Zuschauerin hatte am Anfang des Stücks etwa Bedenken, dass die lustige Art, in der das Stück aufgezogen wurde, der Thematik die Ernsthaftigkeit nehmen würde. Ihre Bedenken lösten sich bei solch einer eindrucksvollen Inszenierung jedoch in Luft auf. Einige Zuschauer*innen merkten zudem an, dass es durch die sprunghafte Szenerie viel visuell zu verarbeiten gab und sie die Warnung des Lichterflackerns ernster hätten nehmen sollen. Alles in allem wurde die Inszenierung bei vielen Zuschauern als gelungen empfunden.  

Mit ihrer Inszenierung von 1984 hat das WildWuchs Theater eine fesselnde, zuweilen Gänsehaut-hervorrufende Erfahrung auf die Beine gestellt, die die Zuschauenden in ihren Bann zog.

Weitere Termine sind der 24., 26. und 27. Mai und 07., 08, und 09. Juni 2023 im Palais Schrottenberg.

von Friederike Brückmann und Sandra Wallstein

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