Axie Oh – Das Mädchen, das in den Wellen verschwand
Axie Oh – Das Mädchen, das in den Wellen verschwand

Axie Oh – Das Mädchen, das in den Wellen verschwand

Götter, Geister und ein vielleicht unabdingbares Schicksal 

Seit einhundert Jahren wird das Land von schrecklichen Stürmen heimgesucht. Trotz zahlloser Gebete lassen die Götter, die für jeden Aspekt des Lebens und der Natur verantwortlich sind, die Menschen im Stich. Damit der Zerstörung zumindest etwas Einhalt geboten wird, opfert man dem Meeresgott, Herrscher aller Gottheiten, jedes Jahr eine Braut.  

Um ihren Bruder, der sich in die eigentliche Braut Shim Cheong verliebt hat, vor dem Zorn des Gottes zu schützen, stürzt sich in Das Mädchen, das in den Wellen verschwand stattdessen seine Schwester Mina als einhundertste der Mädchen in die Tiefen des Ozeans. Sie findet sich wieder im zwischen Himmel und Erde liegendem Reich der Geister, das bevölkert ist von Gottheiten, Geistern und Fabelwesen. Hier liegt der Meeresgott seit einhundert Jahren verflucht in tiefem Schlaf und wird von Shin, dem Herrn des Haus Lotos, beschützt.  

Ein roter Faden des Schicksals bindet Mina buchstäblich an diesen Ort und den Meeresgott, aber als lebendiger Mensch bleibt ihr nur ein Monat Zeit, um den Fluch zu brechen, der auf ihm liegt, bevor sie selbst zu einem Geist wird.  

Die ganze Geschichte ist inspiriert von der koreanischen Legende von Shim Cheong. Ein Fan des japanischen Filmstudio Ghibli wird aber in der Handlung und Charakterisierung der Orte auch auf einiges stoßen, dass an den bekannten Film Chihiros Reise ins Zauberland erinnert. Trotz der Bezüge auf diese älteren Vorlagen erscheint die Geschichte des Buches nicht altbacken. So mutet es überaus zeitgemäß an, wenn die Frage gestellt wird, ob es die Menschen mit ihrer Ausbeutung der Welt überhaupt noch verdient haben, von den Göttern geschützt zu werden.  

Ein Märchen wird lebendig 

Axie Oh gelingt es in diesem Buch einer von interessanten mythologischen Wesen bevölkerten magischen Welt Leben einzuhauchen – ohne, dass man dazu schon Vorwissen zu koreanischer Mythologie brauchen würde.  

Obwohl es nicht weiter ausgeführt wird, entsteht durch die Charakterisierung der einzelnen Nebenfiguren bereits das Gefühl, als ob jede von ihnen ein eigenes Buch mit ihrer Lebensgeschichte füllen könnte.  

Die Geschichte fühlt sich dabei durchweg märchenhaft an. Mit allem Positiven wie auch Negativen, was das zur Folge hat. Denn es hätte sich durchaus angeboten, beispielsweise die genauere Funktionsweise der einzelnen Gottheiten mehr auszubauen. Mich persönlich hat das aber nicht sonderlich gestört, eben weil man sich hier in so etwas wie einem Märchen, ja einer neuerzählten Legende befindet. Dennoch ist es Axie Oh gelungen, eine wirklich berührende Geschichte zu schreiben, in deren Welt es zwar Götter gibt, die die Gebete der Menschen aber nicht erhören.  

 von Victoria Dimeo

 

Axie Oh 
Das Mädchen, das in den Wellen verschwand  
Aus dem Amerikanischen von Nadine Mannchen 
Loewe 2023 
384 Seiten 
17,95 Euro 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert