„Rache erzeugt nur noch mehr Rache“
—
June Hur erschafft mit Der Rote Palast ein Buch zwischen historischer Kriminalliteratur und gefühlvoller K-Drama-Stimmung, das die Lesenden in die koreanische Hofpolitik sowie deren Gepflogenheiten und Höflichkeiten entführt. Die Tausenden von Regeln, die in Stein gemeißelte Zukunft, die ungeschriebenen Gesetze am Hofe des Königs – allesamt vierhundert Jahre Geschichte – geraten durch blutrünstige Morde ins Wanken.
„Was könnte ich schon tun, um in den obersten Rängen Chaos zu stiften? Wie könnte ein einfaches Dienstmädchen wie ich das Universum aus der Bahn werfen?“
Joseon (Korea), 1758: Die achtzehnjährige Hyeon ist Palastschwester und eine zielstrebige Frau, die in brenzligen Situation nach außen hin ruhig bleibt, wie sie es von ihrer Mentorin gelernt hat. Doch in ihr arbeitet es unaufhörlich. Als uneheliche Tochter versucht sie durch harte Arbeit und ihr immerwährendes Studium der fernöstlichen Medizin die Anerkennung ihres entfremdeten Vaters zu gewinnen. Nach dem Mord an vier Frauen, der in die dunkle und gefährliche Hofpolitik verstrickt zu sein scheint, beginnt Hyeon selbst die Ermittlungen fortzuführen, um die Unschuld ihrer Mentorin zu beweisen. Flugblätter mit Spekulationen weisen dabei auf den Kronprinzen hin.
In der Dynastie herrscht ein ausgeprägtes Klassensystem vor, wobei Strafen und Tod bei den niedrigen Klassen nicht weiter Beachtung von den oberen finden, sondern möglichst unter den Teppich gekehrt werden. Eojin ist ein junger Polizeiinspektor, der von seiner Mutter das Prinzip namens Gong gelernt hat, „dass alle Menschen gleich wertvoll sind“, dass keine Person besser oder schlechter aufgrund ihres sozialen Standes ist. Im Laufe ihrer Ermittlungen kommen sich Hyeon und Eojin langsam näher, wobei die Protagonistin am Anfang der Geschichte noch nicht weiß, welchen Rang und welches Motiv er innehat. Die zarte Liebesgeschichte überlagert jedoch keineswegs die blutigen Morde und gesponnenen Intrigen. Gemeinsam nehmen sie die verzwickte Suche nach dem Mörder auf, geben aufeinander acht und retten sich das ein oder andere Mal gegenseitig. Die Cover-Art verbindet Hyeon und Eojin als deren Silhouetten über Umschlaglaschen und Buchrücken hinweg und kooperiert mit dem stimmungsvollen und wunderschönen Cover.
Den Palast zu betreten bedeutet, einen blutigen Pfad zu beschreiten.
Die Ermittlung nach der schuldigen Person ist zentral für die Handlung des Romans. Wobei inhaltlich zahlreiche Einblicke in die gesellschaftlichen Ränge, die vor allem für die Protagonistin von Bedeutung sind, oder zum Beispiel auch die Einsamkeit des Palastlebens und dessen Personal mit eingebunden werden. Im Nachwort führt die Autorin die Verknüpfung zu historischen Figuren, wie Kronprinz Sado, auf. Allerdings wird auch auf die Absicht des Buches hingewiesen, kein rein faktenbasierter Bericht zu sein, sondern eine Annäherung an die Joseon-Dynastie (1392-1910). Zeitgemäße Anredeformen und Nachsilben der höflichen Rede des Koreanischen, wie sie in Der Rote Palast Verwendung finden, werden hinten im Glossar ebenfalls aufgelistet.
von Paula Heidenfelder
June Hur
Der Rote Palast
Übersetzt von Elena Helfrecht
CroCu 2023
352 Seiten
16,00 Euro