„Wer frisset an mein fitty fatty Bäuschen?“
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Am Sonntag, dem 08.10.2023, lud das E.T.A.-Hoffmann-Theater in Bamberg zur Premiere und deutschen Erstaufführung von „Hänsel & Greta & The Big Bad Witch“ nach Kim de l’Horizon ein. Wie der Titel schon vermuten lässt, ähnelt dieses Stück nur noch in Teilen dem bekannten Märchen nach den Gebrüdern Grimm. Kim de l’Horizon macht es sich zur Aufgabe, „eine Weltrettung in mannigfaltigen Übungen“ zu erzählen, denn der Klimanotstand macht auch vor Hausmärchen nicht halt und so finden sich Hänsel und Gretel in einer postapokalyptischen Welt wieder, in der ein gerodeter Wald ihr geringstes Problem ist.
Um den Übergang vom bekannten Märchenstoff zu dieser neuen Interpretation nicht zu harsch zu gestalten, bietet das E.T.A. eine halbe Stunde vor Spielbeginn eine Vorbesprechung an, in der die zentralen Themen und Veränderungen vorgestellt werden. Ein Einstieg etwa, in die komplexen Probleme unserer Zeit, die sich im Stück wiederfinden. Unter der Regie von Wilke Weermann und der Dramaturgie Armin Breidenbachs, entfaltet sich auf der Bühne ein schriller, zugespitzter Kommentar zum aktuellen politischen Nichts-Tun, dem sich die Zillenials (Generation Millenial und Generation Z) gegenübersehen.
„Wenn ich keinen Achtsamkeitskurs mache, werfe ich das Kind an die Wand!“
Hänsel und Gretel drehen sich im Kreis; immer nur weglaufen vor dem großen Hunger, immer nur gerade so überleben. In ihrer Verzweiflung wenden sie sich an die Big Bad Witch, die ihnen Zuflucht und eine Aufgabe gibt: die Welt retten. Um dies zu schaffen, durchlaufen Hänsel und nun-Greta verschiedene Aufgaben, um Verbündete zu finden und eine Lösung für das Klimaproblem. Von Beschwörungen über dem Bällebad-Kessel, der missglückten Suche nach Menschen, die helfen können und wollen und eher unvorhergesehenen Verbündeten, spielt sich auf der Bühne ein buntes Geschehen ab.
Gespickt ist das Spektakel mit allerlei Anspielungen auf Popkultur und Politik, auf Weltermüdung und Problemüberfluss. Hänsel und Greta führen vor Augen, wohin der Überkonsum und Alltagstrott die westliche Umwelt gebracht haben, wie die scheinbar minimalen Probleme der älteren Generationen sich jetzt als Superproblem über den neuen Generationen entladen. Trotz der ernsten Themen war die Grundhaltung des Stücks humorvoll, Hänsel und Greta begegnen mit dem typischen Zillenial-Humor ihren Aufgaben, unterstützt von vielfältigen Soundeffekten und Lichtexperimenten.
Apokalypsomödie
Das Ensemble, bestehend aus Wiebke Jakubicka-Yervis, Jeanne le Moign, Alina Rank und Ewa Rataj, mit der Stimme von Florian Walter, brachte ein buntes, charmantes Durcheinander auf die Bühne, dass die Last der Themen schulterte und voller Hingabe in eine kurzweilige, abstrus-witzige Performance übertrug.
Weitere Aufführungen: Dienstag, 10.10.23, Donnerstag, 12.10.23, Samstag, 14.10.23, Mittwoch, 25.10.23, Donnerstag, 26.10.23, Sonntag, 29.10.23, Freitag, 03.11.23 und Samstag, 04.11.23. Eine halbe Stunde vor Beginn, um 19.30 Uhr, gibt es jeweils eine Werkeinführung, die man besuchen kann.
von Friederike Brückmann