Eine EInzigartige Geschichte
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Content Warning/Inhaltswarnung: Selbstverletzung, Suizidgedanken und -versuche, Trauer, Tod
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Isaac und das Ei beginnt plötzlich. Unser Protagonist Isaac steht verwirrt auf einer Brücke und weiß nicht mehr, was ihn hierher verschlagen hat. Er weiß nur noch, dass er nichts mehr hat, was ihn abhalten würde zu springen. Doch bevor er diese Idee ganz ausreifen und in die Tat umsetzen kann, wird er von einem merkwürdigen Geräusch abgelenkt. Er folgt ihm und findet im nahegelegenen Wald ein überdimensionales Ei. „Zum ersten Mal seit Wochen empfindet Isaac etwas anderes als Verzweiflung“ beschreibt Bobby Palmer Isaacs Zustand als dieser das Ei findet und mit zu sich nach Hause nimmt. An sein vorheriges Vorhaben ist kaum mehr zu denken. Bald bemerkt Isaac, dass das Ei sprechen und sich auch selbstständig bewegen kann. Es beginnen eine Freundschaft und eine Symbiose der ganz besonderen Art.
Über Trauer, Stärke, Familie und Heilung
Ist das Ei echt? Ist dieser Debütroman eine Fantasy- oder Sci-Fi-Geschichte? Geht es um das Ei als Metapher? Diese Fragen werden beim Lesen immer wieder aufgeworfen, klar beantwortet allerdings erst am Ende der Geschichte. Es bleibt viel Platz für eigene Interpretationsansätze, da auch keine eindeutige Erzählperspektive zu erkennen ist. Mal schauen die Leser*innen mit viel Abstand auf die Geschehnisse und auf Isaac, mal sind sie ganz in seinem Denken und Handeln eingesponnen und dann wechselt die Instanz plötzlich in das Innere des Eis. Nur das kleine Setting bleibt dabei gleich, da sich die Geschichte vor allem in Isaacs Haus abspielt. Einzig Gedankensprünge und Erinnerungen führen an andere Orte, durch die sich die Geheimnisse seiner Vergangenheit langsam entwirren. Stück für Stück klärt sich dadurch, wen er verloren hat, warum er komplett allein in der Welt ist, wer oder was das Ei ist und was in den Zeitabständen passiert, in denen Issac Filmrisse hat und später von Schuldgefühlen geplagt wird.
Die unfassbare Authentizität dieser Geschichte liegt in der Erzählkraft des Autors. Die Wörter und Umschreibungen, die Bobby Palmer in seinem Buch verwendet und vor allem wie er mit dem Thema der Trauer umgeht, diese auf so reale, erschreckende, unverblümte und schrecklich-schöne Art und Weise darstellt, machen dieses Werk zu etwas ganz Besonderem. Auch das Erwachsensein und der Prozess des Trauerns von Verdrängung bis Heilung verwebt Palmer geschickt und mit viel Feingefühl. Trotz dieser ernsten Themen bringen vor allem die Referenzen auf die heutige Popkultur viel (unerwarteten) Witz in das Werk, sodass an manchen Stellen gleichzeitig gelacht und geweint werden kann. Ganz besonders der letzte Teil des Buches ist ein persönliches Highlight, da hier viele bis dahin noch lose Enden zusammengeführt werden und einen sehr bewegenden Abschluss bilden.
von Elena Bonhaus
Bobby Palmer
Isaac und das Ei
Aus dem Englischen von Felix Mayer
Heyne 2023
317 Seiten
22,00 Euro