Jeremy Perrodeau – Ruinen
Jeremy Perrodeau – Ruinen

Jeremy Perrodeau – Ruinen

Ruinen des Selbst

Rose liegt im Koma und hat sich in ihrem Inneren verloren. Alles hat ihre Familie schon versucht. Sie wollten ihre beiden Töchter vor der technologisch hoch entwickelten, sich ständig veränderten, dystopischen Welt, die Jeremy Perrodeau in Ruinen erbaut, beschützen. In ihrem Haus über den Wolken, weit weg von der Stadt, haben sie einen künstlichen Garten angelegt und – sobald Rose ins Koma fiel – sämtliche Spezialist*innen zu Hilfe geholt. So auch Samuel F. Monroe, einen Psychiater und Elitesoldaten, dessen Methodik sehr eigen ist. Mithilfe einer höchstmodernen Apparatur dringt er in das Innere seiner Patient*innen vor. Normalerweise allein, doch diesmal will unbedingt Roses Schwester Anha mit auf die wagemutige Reise in den Mikrokosmos Rose.

„Diese Welt funktioniert nicht wie gewohnt […]“

Die Graphic Novel Ruinen folgt einem zweidimensionalen, eher simplen Zeichenstil, der aber äußerst gut zum Setting und der Science-Fiction-Atmosphäre im Buch passt. Die unaufgeregten Bilder tragen dazu bei, die Welt – sei es nun die äußere, aus der Anha und Samuel kommen, oder die innere, in der Rose gefangen ist – erfahrbar zu gestalten. Der Übergang zwischen eben diesen Welten, von hochmodern und technologisiert zu rudimentär und wild, könnte drastischer nicht sein. Die Reise, die Anha und Samuel bestreiten, ist dabei gefährlich, spannend und emotional.

Denn auf der Suche nach Rose begegnen sie einer Welt, die dem Untergang bevorsteht. Eine hoffnungslose Szenerie, deren Bewohner*innen gegeneinander kämpfen. Von der alten Welt, der alten Rose, ist so gut wie nichts mehr übrig; lediglich ein System, das sich gegen sich selbst richtet.

Ruinen hat es mir ab der ersten Seite extrem angetan. Nicht nur ist der Zeichenstil großartig umgesetzt, auch die Idee der Graphic Novel catcht direkt: dystopisch, psychologisch, emotional. Perrodeau verknüpft den Zerfall und die psychische Belastung eines Individuums mit Ecocriticism und wird, obwohl handlungstechnisch viel passiert, während Anha und Samuel durch die Seelenlandschaft streifen, äußerst tiefgründig. Ein Comic an der Schnittstelle von Dystopie, Sci-Fi und Psychologie, der noch lange nach dem Lesen nicht loslässt.

von Theresa Werheid

Jeremy Perrodeau
Ruinen
Aus dem Französischen von Christoph Schuler
Edition Moderne 2022
232 Seiten
32,00 Euro

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