Frankfurter Buchmesse 2023 
Frankfurter Buchmesse 2023 

Frankfurter Buchmesse 2023 

Irgendwo zwischen Politik und Redefreiheit

Vom 18. bis 22. Oktober 2023 fand die Frankfurter Buchmesse zum 75. Mal statt, ein Jubiläum, das im großen Stil mit dem Slogan „and the story goes on“ zelebriert werden sollte. 

Stattdessen sorgte die Messe wenige Tage vor der Eröffnung für Aufruhr, als die Preisverleihung an die palästinensische Autorin Adania Shibli mit dem LiBeraturpreis verschoben wurde, die Messe im selben Atemzug ihre Solidarität mit Israel und Jüd*innen bekundete und betonte, jüdische und israelische Stimmen besonders hervorheben zu wollen. Die Messe, die sich laut Direktor Juergen Boos immer als neutral darstellen will, hat sich mit dieser Stellungnahme als parteiisch offenbart. Die letzten Jahre hat die Frankfurter Buchmesse bereits gezeigt, wie doppelschneidig ihre neutrale Haltung unter dem Deckmantel der Meinungs- und Pressefreiheit ist, als sie wiederholt erlaubte, dass rechte Verlage auf der Messe ausstellen, infolgedessen sich dann BiPOC-Autor*innen, Besucher*innen und Ausstellende auf der Messe nicht sicher fühlten und ihre Teilnahme absagten. Auch dieses Jahr galt die Meinungs- und Pressefreiheit nicht für alle Besuchenden, denn diejenigen, die ihre Solidarität für Palästina friedlich durch sichtbare Aufdrucke und Statements demonstrieren wollten, wurden von der Security unter Beobachtung genommen oder mussten die betreffenden Gegenstände vor Betreten der Messe abgeben. 

Der Aufschrei zur Positionierung der Buchmesse in der Literaturwelt folgte kurz darauf; von Artikeln in der New York Times zu Protestveranstaltungen auf der Messe selbst. Bei der Eröffnungszeremonie nutzte der slowenische Philosoph Slavoj Žižek kurzerhand seine Redezeit, um die Konversation auch auf das palästinensische Leid zu lenken, das zuvor von der Buchmesse exkludiert wurde. Seine Rede wurde von wütenden Zwischenrufen begleitet, einige Zuschauende haben den Saal verlassen. Dennoch konnte Žižek seine Rede beenden, was Juergen Boos mit den Worten „es ist wichtig, dass wir uns zuhören“ kommentierte, auch wenn zuvor auf der Bühne der allgemeine Konsens war, nur einer Seite zuzuhören. 

Die folgenden Fachbesucher*innen-Tage waren vom politischen Kurs weiterhin geprägt, mit verschiedenen Diskussionsrunden rund um Krieg, Berichterstattung und der Frage nach Solidarität. Ab Freitagnachmittag, 14 Uhr, wurde die Messe auch für Privatbesucher*innen geöffnet, worauf sich die ehemals breiten Gänge auf dem Messegelände zusehends verengten. 

Die Buchmesse in Frankfurt schien dieses Jahr mehr denn je in einem Taumel aus (Über)Konsum und politischen Engagement gefangen zu sein. Die Halle 3 mit den Ebenen 3.0 und 3.1 wurde überrannt von Besucher*innen, während sich die Hallen 4, 5 und 6 einer aushaltbaren Besucherdichte gegenübersahen. 

Das wiederkehrende Gedränge in Halle 3 sorgt nicht zum ersten Mal für Kritik an der Organisation der Buchmesse. Es ist für Besucher*innen schwer nachzuvollziehen, warum große Publikumsverlage, die führende Bestseller-Autor*innen zum Signieren einladen und besondere Druckauflagen ihrer Bücher eigens für die Messe drucken lassen, alle in eine Ecke der Halle positioniert werden, wo sich bereits kurz nach der Öffnung der Messe die Signierschlange auf den Innenhof schlängelte und auch den ganzen Tag nicht abriss. Die Rettungskräfte mussten am Wochenende wiederholt Menschen betreuen, die Panikattacken und Ermüdungserscheinungen durch die Menschenmassen zeigten. 

von Friederike Brückmann

Irgendwo zwischen Bücherliebe und Menschenmassen

Gegen 6.00 Uhr im Auto sitzen, um sich frühzeitig in die Schlange einzureihen, die um 9.00 Uhr in die Hallen der Frankfurter Buchmesse strömen würde – so lautete die Devise am Sonntag, den 22. Oktober 2023. Nun, zumindest fast, denn dank Presseticket spazierten wir an eben jener Schlange vorbei in Halle 3. Schon jetzt war dieser Anblick das Highlight des Tages, denn in diesem Zustand würde man die unzähligen Stände der Publikumsverlage an diesem Tage nicht mehr zu Gesicht bekommen. Das Privileg leerer Gänge nutzend war die Bücherbüchse, die sich erfolgreich der Herausgabe von Farbschnitt- und Exklusivausgaben verschrieben hat, die erste Anlaufstelle. Rückblickend nicht nur aufgrund ungestörter Stöberzeit die beste Entscheidung, sondern auch, weil kaum eine halbe Stunde nach Eröffnung die Schlange zum Stand der Bücherbüchse bereits den Ausgang zur Agora – den freien Platz zwischen den Messehallen – passierte. Mit wunderschönen Exemplaren im Gepäck stand die Erkundung der übrigen Halle an, ausgehend vom Drachenmond-Verlag über Carlsen, Droemer Knaur, One, Bastei Lübbe, Ravensburger, Reclam und die Penguin Random House Gruppe, um nur ein paar Stände zu nennen. 

An vielen Stellen stachen kreativ errichtete Fotospots ins Auge und überall wurde an das 75-jährige Jubiläum der Frankfurter Buchmesse erinnert. In der weiter anschwellenden Menschenmasse lockte schließlich die Agora zu einer kleinen Pause für die Füße und Raum zum Durchatmen, während der man den laufenden Lesungen lauschen und ein Zwischenfazit ziehen konnte: Viele Menschen, aber noch mehr die all diese Menschen verbindende Liebe zu Büchern. Als Germanistin kann man da nicht anders, als einmal kurz innezuhalten und zu staunen, wozu die Literatur Menschen bewegen kann und wie viele sie im digitalen Medienzeitalter noch immer bewegt. 

In Halle 3.1 begegneten wir neben den zahlreichen aus der Bibliothek bekannten Wissenschaftsverlagen nicht nur Sprach- und Reiseverlagen, sondern auch einem signierenden Ewald Arenz. Ansonsten war von den meisten signierenden Autor*innen an diesem Tag nicht viel mehr als eine gigantische Schlange vor ihrem Stand zu erblicken, die sich teils durch die gesamte Halle oder – wie im Falle Sebastian Fitzeks – bis über die Agora erstreckten. Den Sonntag merkte man den übrigen Hallen aber durchaus an, gerade den internationalen Aussteller*innen: größtenteils verlassene Stände mit ein paar verwaisten Büchern, die hier und da mal von einem interessierten Individuum in die Hand genommen wurden. Dafür lockte die internationale Abteilung der Penguin Random House Gruppe mit um die Hälfte rabattierten Büchern noch eine Vielzahl von Menschen an. Ein besonderes Erlebnis war zum Abschluss des Tages die Live-Hörbuchlesung von Rufus Beck, der aus Harry Potter und der Feuerkelch vortrug und einen schließlich mit einem Hauch von Magie und Nostalgie als Begleitung die Heimreise antreten ließ. Das Kurzresümee des letzten Buchmessetages lautet: viel zu viele Bücher, die nun auf der Wunschliste gelandet sind, kaputte Füße und ein freudiges “Auf Bald” im nächsten Jahr. Nur dann vielleicht an den Fachbesuchertagen.

von Vanessa Wagner

© Friederike Brückmann

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