Lynn Cullen – Die Formel der Hoffnung
Lynn Cullen – Die Formel der Hoffnung

Lynn Cullen – Die Formel der Hoffnung

Kennen Sie Dorothy Horstmann?

Nein? Ich kannte sie bis vor kurzem auch nicht. Und das, obwohl ihre Forschung wegbereitend für die Impfung gegen Kinderlähmung (auch Polio) war, sodass ich wie alle Kinder eine Polioimpfung bekam. Ihre geringe Bekanntheit teilt Dorothy Horstmann leider mit vielen wichtigen Frauen der Geschichte. Lynn Cullen hat dieser außergewöhnlichen Frau in ihrem neuen Roman Die Formel der Hoffnung nun ein Denkmal gesetzt.

Dorothy Horstmann wird in einer Zeit Ärztin, in der Frauen in diesem Beruf noch als ‚Exotinnen‘ gelten. Und dann will sie auch noch forschen! Den Männern (und leider auch vielen Frauen), denen sie zu Beginn ihrer Karriere begegnet, fällt außer einem Kommentar zu ihrer Größe (Dorothy war über 1,80 m groß) leider nicht viel ein. Dennoch bleibt Dorothy bei ihrem Vorsatz Polio zu erforschen und mit einer Impfung auszurotten. Als Leser*in begleiten wir sie bei ihrem knapp 20 Jahre andauernden Kampf gegen Polio und lernen neben ihrem Forschungs- und Praxisalltag auch ihre Familie und ihre freundschaftlichen Kontakte kennen. Besonders wichtig wird für Dorothy der polarisierende Forscher Albert Sabin – ihre und seine Erkenntnisse führen letztlich zur ersten Schluckimpfung.

Die Schlacht im Blut und auf dem Wissenschaftsparkett

Lynn Cullen gelingt es die Protagonistin mit Ecken und Kanten zu beschreiben, sodass man sie als Leser*in wirklich gerne kennengelernt hätte. Besonders erfreulich ist, dass es zwar eine kleine Liebesgeschichte gibt, die Protagonistin aber nicht unbedingt den männlichen Partner braucht, um vollends glücklich zu sein.

Eindrücklich beschreibt die Autorin in diesem Roman den Kampf der Frauen, in der Medizin ernstgenommen zu werden. Wenn Dorothy immer wieder gegen eine Wand aus männlicher Arroganz rennt, will man aufschreien vor so viel Verblendung und Unverstand. Es ist beeindruckend, dass sie unter diesen Umständen die Stärke und den nötigen Starrsinn hat, sich nicht von ihren Ideen und Zielen abbringen zu lassen. Viel zu spät (aber wohl besser spät als nie) bekommt sie den Respekt ihrer Kollegen, den ihre Arbeit verdient. Traurig stimmen einen allerdings die vielen kranken Kinder, die im Fall von Polio hätten vermieden werden können, hätte man früher auf die vielen erfahrenen Frauen gehört.

Das Buch zieht ab Seite eins in seinen Bann und lässt sich, auch dank kurzer Kapitel und flüssigem Schreibstil, schnell und angenehm lesen. Neben der spannenden Lebensgeschichte von Dorothy Horstmann, erfährt man viel über die Lebensrealität von Frauen Mitte des 20. Jahrhunderts in den USA, über die damalige medizinische Forschungspraxis und über die Katastrophen, die Poliopandemien einst ausgelöst haben. Insgesamt also ein rundum zu empfehlender Roman. Hoffentlich führt er dazu, dass mehr Menschen die obige Frage mit einem klaren „Natürlich!“ beantworten können.

von Hannah Deininger

Lynn Cullen
Die Formel der Hoffnung
Fischer Verlag 2023
463 Seiten
24,00 Euro

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