Melissa Febos – Girlhood
Melissa Febos – Girlhood

Melissa Febos – Girlhood

„Man muss Macht nicht anerkennen, damit sie über einen ausgeübt werden kann.“

Melissa Febos erzählt in Girlhood genau davon: nicht einfach nur von einer Kindheit, dem Aufwachsen und Erwachsenwerden, sondern dem Aufwachsen und Erwachsenwerden als weiblich sozialisierte Person – und das unter dem Patriarchat. Prägnant, theoretisch fundiert und mit ehrlichen Einblicken in die eigene Biografie sowie die ihrer Interviewpartner*innen lässt Febos die Leser*innen daran teilhaben. 

Vergeschlechtlichte Machtstrukturen, die früh und subtil, aber nicht weniger gewaltsam etabliert werden, die perfide Art, wie sie gesichert werden und wie inhärent sie in uns verankert sind, auch wenn man aktiv versucht aus ihnen auszubrechen, zeigt Febos kompromisslos auf und macht sie an persönlichen Beispielen sichtbar. Das Gefühl, Zurückweisung gegenüber Männern abmildern zu müssen, der Unterschied zwischen leerer und bejahender Zustimmung, Scham als Beherrschungstaktik, der Drang Männern gefallen zu wollen als Schutzmechanismus und viele weitere Aspekte der weiblichen Erfahrung werden eindrücklich anhand von Kuschelpartys, der Arbeit als Domina oder der Beziehung, die sie heute mit ihrer Frau führt, aufgezeigt.

In der Erzählung Febos‘ können sich weiblich sozialisierte Personen wiederfinden. Trotz all der Wut, die bei der Lektüre über die Ungerechtigkeiten aufkommt, fühlt man sich verbunden, verbunden mit der Autorin und verbunden mit all den Personen, die auch jene Erfahrungen gemacht haben. Teilweise wird auch erst beim Lesen bewusst, dass ähnliche Erinnerungen auch in einem selbst schlummern. Die Achtsamkeit ihrer eigenen Person gegenüber, zu der Febos am Ende gelangt, macht Mut und erinnert daran, diese auch sich selbst entgegenzubringen.

„Ich will das Wort Schlampe nicht zurück […]. Es war noch nie meins. Ich werde es nie zu einer Frau sagen, weder scherzhaft noch stolz, nicht liebevoll oder ironisch.“

Die Prämisse von Girlhood ist in der feministischen Gegenwartsliteratur nicht neu, Febos’ Erkenntnisse im feministischen Diskurs auch nicht. Doch solange das Patriarchat herrscht, ist es notwendig die ungerechten Machtstrukturen aufzuzeigen und den Gewinn für alle durch ein Ausbrechen daraus aufzuzeigen. Genau das schafft Febos. Vor allem ihre persönlichen Schilderungen veranschaulichen die Theorie und machen den Essayband so zugänglicher für ein breiteres Publikum. Eine Empfehlung für wirklich jede*n ist es allemal. 

Enttäuschend war jedoch, dass – obwohl Febos immer wieder die queere Perspektive als selbst queere Frau betont und hervorhebt – die cisweibliche Erfahrung zudem als das universelle Frausein gehandelt wird. Trans Frauen sind zum einen auch Frauen und leiden zum anderen noch mehr unter dem Patriarchat – aber eine trans-inklusive Perspektive wurde in Girlhood nicht eingenommen.

Abschließend ist auch noch darauf zu verweisen, dass der Kjona Verlag Bücher wunderschön bindet. Das Format ist etwas kleiner als gewöhnliche Hardcover und liegt mit dieser spezifischen Größe perfekt in der Hand. Außerdem sind die Bücher sehr stabil gebunden, kommen ohne Schutzumschlag aus und haben eine angenehme Haptik. Das mag sich nach einer Kleinigkeit anhören, die für die Erzählung irrelevant ist, aber dennoch verschönert es das Leseerlebnis und man kann sich immer darauf freuen, wenn man ein Buch des Kjona Verlags in den Händen hält.

von Michaela Minder

Melissa Febos
Girlhood
Aus dem Amerikanischen von Stefanie Jacobs
Kjona 2023
336 Seiten
23,00 Euro

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