Die 34. Bamberger Kurzfilmtage
Die 34. Bamberger Kurzfilmtage

Die 34. Bamberger Kurzfilmtage

Lange Nacht der kurzen Filme oder

Was die Bamberger Kurzfilmtage charmanter macht als die Academy Awards

Fünf Tage sind seit der Festivaleröffnung am Montag vergangen, in denen insgesamt 150 Filme im Wettbewerbs- wie im Spezialprogramm gezeigt wurden. Wieder im Odeon, wieder um 20:15 Uhr fand am Samstag, den 27. Januar, die feierliche Gala zur Preisverleihung statt. Es gab keine Abendkleider und keine Paparazzi, dafür studentische Lässigkeit, familiäre Atmosphäre und Bamberger Bier-Pannen.

Der „Bamberger Oscar“ ist kein langweilig aufrechtstehendes Männchen, es ist ein mythologisch-historisches Mischwesen. Nach dem Vorbild des Bamberger Reiters verwirklicht der Bildhauer Adelbert Heil seit 1993 jährlich Zentauren-Trophäen in Storath-Schokolade. In goldenes Staniolpapier gewickelt stehen heute Abend sieben Exemplare unter Glasglocken auf der Bühne. Verliehen werden sie in den Wettbewerbskategorien Dokumentation, Spielfilm, Animations- und Experimentalfilm sowie Kinderkurzfilm und Regionalfilm, Publikumsliebling und Wahl der Jugendjury.

Anstatt eines selbstdarstellerischen Showmasters führt Festivalleitung Katharina Breinbauer sympathisch-zurückgenommen durch den Abend. Gekonnt wird die Spannung im vollen Saal aufrechterhalten, als erst ein Bier auf der Bühne umgekippt wird und dann die Kuverts mit den Preisträgern noch flugs aus dem Eingangsbereich geholt werden müssen – es sind chaotische, improvisierte Momente wie diese, die den Abend so liebenswert machen.

Kuschelige Filmfamilie

Die cineastische Crème de la Crème der Kurzfilme ist nahbar – und sie muss eng zusammenrücken in dem aus allen Nähten platzenden Odeon. Beim Ticketkauf steht die Kulturreferentin vor mir, vor dem Popcornautomaten plauscht die Regionaljury miteinander, neben mir sitzt die Regisseurin eines Regionalfilmbeitrags. Sie hat in ihrem Studium selbst bei den Kurzfilmtagen mitgeholfen: „Ach Gott, ich kenne alle. Es ist grad richtig schön hier!“. Auch ich erkenne die Filmschaffenden vom gestrigen Screening in der Reihe vor mir. 

Den ersten Preisträger des Abends haben die Kinder ausgewählt. Der Preis für den „Kinderkurzfilm“ geht an Tümpel, der die verbindende Kraft eines Fischpupses zeigt. Das Aquatische bildet ein Thema, denn auch die Wahl der Jugendjury handelt von Freundschaft im bzw. auf dem Wasser. Janis Westphals Flut und Ebbe erzählt in herben Bildern die warmherzige Geschichte der Krabbenfischer Malte und Fred, die sich nach dem Tod von Maltes Frau gemeinsam einer Flut von Gefühlen und nicht abebbender Trauer stellen. Open Water ist der Abräumer des Abends mit gleich zwei Trophäen in der Kategorie „Dokumentarfilm“ sowie „Publikumsliebling“. Der 24-minütige Film von Miguel Temme begleitet die ungewöhnliche Athletin Nikki. Selbst hielt sie sich nie für sportlich, das Freiwasserschwimmen aber setzte eine ungeahnte Stärke in ihr frei. Indem sie Kinder unterschiedlicher Beeinträchtigungen für die Durchquerung des Ärmelkanals trainiert, möchte sie ihren Schützlingen zeigen, wie man seinen Blick von Schwächen auf Potentiale richten kann. Etwas Wasser auf der Bühne gibt es bei der freudentränenreichen Entgegennahme des Preises für den „besten Regionalfilm“. Diesen erhalten Mitglieder der AG Film des Schiller-Gymnasiums Hof. Ihr Film Obscura wird von der Jury als „rätselhaftes Meisterwerk“ beschrieben. „In diesen Film ist so viel Arbeit, Freizeit und Liebe reingeflossen“, so eine Schülerin mit sich überschlagender Stimme. Wenn auch visuell beeindruckend, lässt er mich in seinem betont undurchsichtigen Spiel mit Versatzstücken aus Horrorfilmen verwirrt zurück. Burak Oguz Saguner darf sich die Trophäe für den „besten Spielfilm“ für Salça abholen. Sein Beitrag über die Zeugenschaft häuslicher Gewalt ist ein intensiver Appell zur Wachsamkeit. Gleichwohl überzeugten mich andere Filme dieser Kategorie mehr. Bianca Scalis It’s just a whole erhält schließlich die Ehrung „bester Animationsfilm“. In dem Elfminüter erfährt Maya bei einer Arztuntersuchung, dass ihr Muttermal entfernt werden müsse. Nur eine Kleinigkeit, doch eine, die zu ihrer Gesamtheit gehört… In feinen Linien gezeichnet und in reduziertem Schwarz-Weiß gehalten wirkte dieser poetische Beitrag in mir am längsten nach. Womöglich auch, weil er als Sinnbild des Abends gelten kann. Das große Ganze wird im ganz Kleinen verhandelt – in berückender Schönheit und ganz ohne Milliardenbudgets.

Bonus Take: Lokalproduktion

Nach dem Oscarabend ist der Zauber vorbei, bei den Kurzfilmtagen geht es in die Verlängerung. Mein dritter Festivaltag, meine dritte Spielstätte, diesmal das Lichtspielkino. Heimisches Hollywood steht auf dem Programm, als ich mir am Sonntag, den 28. Januar, acht Kurzfilme „Made in Oberfranken“ ansehe. Der Siegerbeitrag ist bekannt, die anderen regionalen Einreichungen aber mindestens ebenso sehenswert. 

Die Hofer sind gut vertreten. Neben dem Gewinner Obscura hat das Schillergymnasium mit Löcher im Himmelsgewölbe einen weiteren hintergründigen Schülerfilm ins Rennen geschickt. Er zeigt, wie ein Ideologiegebäude in sich zusammenbricht, als ein antisemitisches Mädchen erfährt, dass sie Jüdin ist. Mit einer metaphernreichen Bildsprache rund um den Davidsstern ist dieser Beitrag ebenso symbolisch aufgeladen wie Der Teetisch des Hofers Martin Wahl. Der titelgebende Tisch wurde von seinem Großvater aus dem Libanon geschickt; nach dem Möbelstück holt der Enkel nun ihn nach DeutschlandDer kürzeste Beitrag des Festivals Studentenfutter und mehr (Bobby erzählt) ist eine skurrile Perle, die mein Herz gewonnen hat. Was ist, wenn Essen so sehr mit Identität verknüpft ist, dass Nicht-Immatrikulierte keine Nussmischung mehr kaufen dürfen? Drei Dokus widmen sich dem Gedeihen im weitesten Sinne. Wie aus Korbmaterial Werkstücke werden und Auszubildende zu Absolventen gedeihen, zeigt Jennifer Rubach, selbst Flechtkünstlerin. In The Making Of: 20/23 porträtierte sie die Abschlussklasse der Staatlichen Berufsfachschule für Flechtwerkgestaltung in Lichtenfels. Bamberg bildet das Setting für zwei weitere dokumentarische Beiträge. In Ein Haus – ein Jahr steht das Kunstwerk „Orangerie Nature“ im Mittelpunkt. Das nur aus Fenstern bestehende Gebäude im Garten der Villa Concordia diente als transparente Kulisse für Einblicke in das künstlerische Schaffen der Stipendiat*innen. Während diese 12 Minuten eher entrückt-ätherisch sind, ist Aufbäumen – Für mehr Stadtbäume in Bamberg denkbar konkret. Michael Hemm, Mitbegründer und langjähriger Leiter der Bamberger KUFA, setzt damit ein leidenschaftliches Plädoyer für ein grüneres Stadtbild. Last, but not least: Das Werk meiner gestrigen SitznachbarinNach ihrem Studium in Bamberg macht Rojin Haddad nun Filme in Berlin. Menschen im Hof lässt uns an Begegnungen im Hinterhof eines Berliner Mietshauses teilhaben. Das ist Alltagskomik par excellence. Wäre ich ein Teil der Jury gewesen, ich hätte mich wohl anders entschieden. Aber auch das haben die Bamberger Kurzfilmtage den Academy Awards voraus: Buchmacher haben nichts zu melden. Alles ist überraschend. Die Auszeichnung ist vielleicht schnell gegessen, die geteilten Filmerlebnisse aber bleiben!

von Jana Paulina Lobe

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