„Vernehmt das Los von Sweeney Todd – Barbier des Grauens der Fleet Street“
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Wie weit geht man, wenn man sich komplett von Rache einnehmen lässt? Im Falle der Geschichte von Sweeney Todd treibt ihn das Verlangen nach Rache in einen unstillbaren Blutdurst. Das 1979 uraufgeführte Musical von Stephen Sondheim nach Hugh Wheelers Buchvorlage ist wohl eines der populärsten Musicals mit Aufführungen am Broadway und sogar einer Verfilmung mit Johnny Depp. Auch das Publikum im Theater Hof zeigte sich bei der Premiere des Musicals „Sweeney Todd – The Demon Barber of Fleet Street“ am 02. Februar 2024 unter der Regie von Reinhardt Friese sehr begeistert.
Das makabre Stück erzählt die Geschichte des einst besten Barbiers Londons – Benjamin Barker –, der verbannt und von seiner Familie getrennt wurde und sich nun dafür rächen will. Mit der Hilfe von Mrs. Lovett – der schlechtesten Bäckerin Londons – schwingt er schon bald wieder seine Klinge und gibt die wohl glatteste, aber auch tödlichste Rasur Londons. Im Zuge dessen verbessern sich auch die Pasteten von Mrs. Lovett und die ganze Stadt kann kaum erwarten, einmal zu kosten.
„Schwing dein Messer weit, Sweeney!“
Schon die Eröffnungsszene verursacht einen Gänsehautmoment: Die Wucht der Stimmen aller Schauspieler*innen versetzt einen direkt in die wahnsinnige Welt des Sweeney Todd. Dieser will zu seinem Zuhause zurückkehren, doch trifft er dort auf Mrs. Lovett und kann ihre „schlechtesten Pasteten Londons“ kosten. Die Charaktere werden das ganze Stück über von Dominique Bals und Cornelia Löhr nicht nur durch ihr Schauspiel, sondern auch durch den Gesang perfekt charakterisiert. Parallel hierzu entwickelt sich die Liebesgeschichte von Johanna, Todds verlorener Tochter, und Anthony, einem jungen Matrosen, welcher Sweeneys Leben rettete. Im Gegensatz zu den eher düsteren und wahnsinnigen Musikeinlagen wird diese blühende Romanze mit viel helleren und romantischeren Melodien begleitet. Doch allzu lange hält die positive Stimmung nicht an, denn der Barbier des Grauens sehnt sich nach Rache und als er diese nicht bekommt, zieht er ganz London mit in seine Hölle, oder in diesem Fall Mrs. Lovetts Pastetenofen. Die teilweise sehr verstörenden Szenen werden durch makabren Humor gut verarbeitet und finden Anklang im Publikum.
„Zwar hat er die Kunden liquidiert, doch starben sie wenigstens gut rasiert“
Interessant an diesem Musical ist vor allem, dass fast durchgehend gesungen wird. Sprechdialoge werden zu Duetten, welche die innere Handlung der jeweiligen Charaktere mithilfe der von Stephen Sondheims unglaublich clever konzipierten Melodien noch mehr hervorheben. Vor allem sticht auch die unglaublich klare Sopranstimme der Johanna, gespielt von Carolin Waltsgott, heraus. Weiterhin überzeugt das Stück mit einer detailliert gestalteten Kulisse, von in die Luft steigenden Betten als Symbol des Träumens zu Leichen, die von der Decke hängen bis hin zum dunklen Pflaster, was einen direkt auf die Straßen Londons im 19. Jahrhundert katapultiert. Was vor allem auffällt, ist, wie wunderbar jeder einzelne Charakter des Musicals von den Schauspieler*innen verkörpert wird. Nicht nur Gestik und Mimik, sondern auch die Stimmfarbe ist perfekt abgestimmt und sorgt dafür, dass die Zuschauer*innen kaum wahrnehmen, dass geschauspielert wird.
Es war ein abwechslungsreicher Abend, was auch die Reaktionen der Zuschauer*innen verdeutlichte. Wer eine gewisse Affinität zu Horror hat und gerne einmal in die düstere Welt Londons eintauchen möchte, ist hier auf jeden Fall gut aufgehoben. Das Theater Hof zeigt eine feingearbeitete Inszenierung der deutschen Version des Stückes. Aber auch Broadway-Liebhaber*innen oder Fans der Verfilmung werden nicht enttäuscht sein, denn die musikalische Untermalung der Hofer Symphoniker könnte nicht besser zu dem Musical passen.
Weitere Aufführungen des Musicals sind am 21.02., 03.03., 10.03., 11.03., 23.03. und 05.04.2024 im Theater Hof zu sehen.
von Jessica Weber